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Nobunaga’s Ambition: Sphere of Influence

Die Behauptung, es gäbe eine Vielzahl an interessanten, reinrassigen Strategiespielen für Konsolen, hat wohl noch niemand getroffen. Hin und wieder tritt zwar mal ein Titel hervor, aber im Allgemeinen ist der PC mit Maus und Tastatur dann doch bei Weitem die bevorzugte Plattform. In manchen Fällen gibt es aber auch Strategiespiele, die den deutschen Markt […]

Felix Grünewald · 11. September 2015

Die Behauptung, es gäbe eine Vielzahl an interessanten, reinrassigen Strategiespielen für Konsolen, hat wohl noch niemand getroffen. Hin und wieder tritt zwar mal ein Titel hervor, aber im Allgemeinen ist der PC mit Maus und Tastatur dann doch bei Weitem die bevorzugte Plattform. In manchen Fällen gibt es aber auch Strategiespiele, die den deutschen Markt schlicht und einfach nie erreicht haben, so wie die Nobunaga’s Ambition-Reihe, welche nun nach über 30 Jahren und 13 Spielen erstmals in Europa landet. Die Entwickler bei KOEI haben beinahe ebenso lange Erfahrung mit Umsetzungen auf Konsolen und deshalb haben wir beschlossen die Playstation 4-Version des neuesten Titels Nobunaga’s Ambition: Sphere of Influence auf den Prüfstand zu stellen. Vorab noch die Info: der Titel ist wie jeder Koei-Titel komplett Englisch – deutsche Erklärungen und Texte sucht man vergebens.

Ein wenig Geschichtsunterricht und ganz viel Sandbox

Den historischen Rahmen bildet die japanische Sengoku-Ära (1467 – 1603), in der zahllose Feudalherrscher, die sogenannten Daimyō, um die Vormachtstellung kämpften. Insbesondere die Samurai stehen als Sinnbild dieser „Zeit der Streitenden Reiche“ und so dürften Spieler der Sengoku Basara- oder Samurai Warriors-Reihen einige historische Charakter bekannt vorkommen. Besonders bedeutend ist damals Nobunaga Oda gewesen, welcher zu Lebzeiten beinahe die Einheit Japans erwirken konnte, und somit als Namenspatron der Spieleserie gewählt wurde. Sphere of Influence deckt die Zeitspanne von Nobunagas Geburt 1534 bis zum Jahre 1700 ab. Vor dem Start legt man sich auf ein Szenario fest, welches darüber entscheidet, wann man startet und auf welche Klans man trifft. Hierbei stehen sowohl historische Ausgangslagen wie beispielsweise die Schlacht von Sekigahara im Jahre 1600, deren Ausgang letztlich die Einigung Japans herbeigeführt hat, als auch fiktive Settings zur Auswahl. Ein wenig Vorwissen über japanische Geschichte erleichtert den Einstieg sicherlich, sie wird allerdings nicht vorausgesetzt. Alle wichtigen Ereignisse werden nämlichen in kurzen Storysequenzen erzählt. Der Kampagnenmodus selbst folgt größtenteils einem Sandbox-Prinzip – das heißt, dass man sich zwischen jedem Daimyō Japans entscheiden kann. Je nach Startzeit und Klan kann man sich außerdem an verschiedensten Quests versuchen. Wem die historischen Figuren nicht reichen, der kann sich als spezielle Herausforderung einen eigenen Klan mit einer Festung erstellen und so versuchen von einem Vasallen zum Shogun aufzusteigen.

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Geschichtsunterricht inklusive – kleine Storysequenzen lockern das Gameplay auf und beleuchten wichtige Ereignisse.

Nachdem man im Tutorial die Grundlagen der Steuerung erlernt hat, kann man sich in die Singleplayer-Kampagne stürzen. Die eigene Startposition ist die erste wichtige Entscheidung, die man treffen muss. Sie wird, abhängig vom Jahr, durch historische Grenzen und Einflussgebiete beeinflusst. Ganz egal wo man die Herrschaft übernimmt, bleibt das Ziel immer gleich: das Shogunat erlangen. Hierzu gibt es im Wesentlichen zwei Wege, zum einen den diplomatischen Sieg und zum anderen militärisch durch die Zerschlagung aller anderen Klans. Das bedeutet natürlich nicht, dass man den jeweils Weg der Diplomatie oder des Krieges nicht völlig außer Acht lassen sollte, denn nur mit beiden kommt man voran. Zusammen mit dem Aufbau von Infrastruktur bilden sie die drei zentralen Säulen des Gameplays. Jeden Monat im Spiel wechselt das Spiel von der Echtzeitphase in die sogenannte Konzilphase, bei der man Aktionen für die nächsten vier Wochen festlegen kann. So bestimmt man im Konzil, beispielsweise wo Straßen verbessert werden und wo neue Gebäude oder Bezirke entstehen. Die Bezirke einer Burg oder Festung dienen der Produktion von drei Kernressourcen: Reis, Geld und Soldaten. Die Menüführung ist hierbei weitestgehend sehr intuitiv und geht auch mit Controller gut von der Hand.

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Planung ist alles – Die einzelnen Bezirke produzieren Rohstoffe und beeinflussen mit Spezialgebäuden sogar benachbarte Gebiete.

Herrschen allein? Das lass‘ sein!

Ein Daimyō ist alleine ohne Unterstützer relativ machtlos und deshalb lassen sich im Spielverlauf zahllose Offiziere rekrutieren. Und „zahllos“ ist hier wirklich keine Untertreibung, denn das Spiel enthält beinahe 2,000 Offizieren mit historischen Geburts- und Sterbedaten, einzigartigem Portraitbild, Kurzbiographie und verschiedenen Charaktereigenschaften. Das ist wirklich eine beeindruckende Menge und zeigt sehr gut, wie viel Liebe zum Detail im Spiel steckt. Ein Offizier kann entweder das Wachstum des Reiches beschleunigen, eine Truppe anführen oder an diplomatischen Aktionen teilnehmen. Wie gut er für bestimmte Aufgaben geeignet sind, wird durch vier verbesserbare Charaktereigenschaften, seine persönlichen Interessen und passive Skills festgelegt. Wer sich davon jetzt ein wenig überwältigt fühlt, dem sei gesagt, dass man die meisten Kniffe gut und frustfrei auf dem einfachen Schwierigkeitsgrad erlernen kann. Außerdem gibt es ein Online-Handbuch und während man spielt, wird einem jede einzelne Aktion detailliert in der In-Game-Hilfe erklärt – eine gedruckte Anleitung gibt es allerdings nicht.

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Krieg der Tetrominos – Wenn man herauszoomt erscheinen Einheiten nur als Formationssymbol.

Sobald ein Offizier in diplomatischer Mission unterwegs ist, beginnt er Vertrauen mit anderen Klans oder ansässigen Stämmen  aufzubauen. Für eine bestimmte Menge davon lassen sich dann diverse Bündnisoptionen aushandeln, die von einer einfachen Durchreiseerlaubnis bis zu einer Koalition gegen mächtige Feinde reicht. Auch weniger loyale Offiziere des Feindes lassen sich zum Meutern oder Überlaufen überreden. Man kann seinen Offiziere sogar die Entscheidungsfreiheit über mehrere Provinzen übertragen, die sie dann mit ein paar Richtlinien selbstständig verwalten. Die Hauptaufgabe der Offiziere steckt aber nun einmal im Führen von Armeen. Man kann die Größe einer Fußtruppe ebenso festlegen wie ihre Zusammenstellung. Während normale Soldaten nur Nahrung benötigen, brauchen Reiter, die manchmal schlachtentscheidend sein können, zum Beispiel noch Pferde. Die Vorräte an der Front reichen für 4 Monate, anschließend muss man sie in einer Festung wieder auffüllen. Die Truppenbewegungen folgen dem festen Straßennetz und sind, wenn es um Geschwindigkeit geht, vom Ausbaugrad des selbigen abhängig. Treffen sie auf einer gegnerische Truppe, kommt es zu einer Schlacht, in die man jederzeit aktiv eingreifen kann (aber natürlich nicht muss). In diesem Fall wechselt das Spiel in eine kleinere Gebietskarte, auf der man seine Truppen bewegen kann und Spezialfähigkeiten der Offiziere nutzen kann. In den meisten Fällen kämpfen aber nur drei Regimente auf der eigenen Seite und zwischen Fern- und Nahkämpfern wird nicht getrennt. Dieser Modus ist daher vom Umfang eher ein „Total War lite“, aber in einigen Fällen wird man mit ein paar Finten einer gegnerischen Übermacht Herr, gegen die ein Frontalangriff aussichtslos ist. Um eine andere Festung zu erobern, muss man diese belagern. Das geschieht automatisch, sobald die eigene Truppenstärke die HP der Festung übersteigt. Man kann jedoch auch, unter Verlust eigener Einheiten, ein Objekt erstürmen und es so schneller seinem Reich hinzufügen.

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Mitten auf dem Schlachtfeld – Im Kampfmodus kann kann Gegner überlisten und einkesseln.

Umfangreicher Taktikspaß für Geduldige

Von der Präsentation her gibt es nicht viel zu meckern, die Karte ist schön und detailliert gestaltet und es macht Spaß in der höchsten Zoomstufe zuzuschauen wie die eigenen Burgen und Festungen sich über die Zeit hinweg verändern und wachsen. Alle drei Monate wechselt die Jahreszeit und verpasst der Spielwelt somit einen etwas anderen Look. Im Kampfmodus kommt das Spiel nicht an die Grafikpracht von Titeln der Total War-Serie heran, auch wenn die Schlachten schon ansprechend inszeniert sind. Der Soundtrack ist durchweg stimmungsvoll und passt sich an Kriegs- bzw. Friedenszeiten an und sogar Tracks aus den älteren Teilen sind enthalten. Im Spiel wird zwar nicht viel gesprochen, aber man hat trotzdem die Wahl, ob man lieber japanische oder englische Sprecher haben möchte. Auch an zwei unterschiedliche Interface- und Textgrößen wurde gedacht, sodass sich der Titel auch hervorragend über Remote Play auf der Vita spielen lässt. Um diese zu wechseln, muss jedoch das laufende Spiel unterbrochen werden, was nicht so schlimm ist, denn immerhin kann man jederzeit speichern. Besonders im späten Spielverlauf (80 – 100 Prozent erobert) konnte ich kleine Ruckler im Konzilmodus feststellen, die aber abhängig davon schienen in welchem Untermenü ich mich gerade befand. Der normale Spielfluss und die Truppenbewegungen kamen zu keinem Zeitpunkt ins Stocken, was mich persönlich deutlich mehr gestört hätte.

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Details auf jeder Ebene – Die Burgen im Spiel, wie hier in Nagoya, entsprechen optisch realen Vorbildern.

Der Umfang des Spieles und der Detailgrad ist definitiv einer der großen Stärken von Sphere of Influence. Man kann frei über den Schwierigkeitsgrad entscheiden oder wie viel man Zeit man in die monatlichen Ratsversammlungen stecken möchte. Theoretisch ist es nämlich möglich eine Vielzahl der Entscheidungen an die KI zu delegieren, so dass man als Anfänger nicht den Anschluss verliert. Die Möglichkeit monatlich Feedback dazuzubekommen, was man als Nächstes machen sollte, kann man in den Optionen an- oder ausschalten. So oder so ist es aber ein Spiel für Geduldige, denn selbst wenn man eine große Menge an Entscheidungen automatisiert hat, wird man an einem Abend kaum mehr als ein Fünftel der über siebzig Provinzen erobert haben. Was man jedoch ein wenig besser hätte lösen können, ist die Tatsache, dass man jeder Aktion vom Menü wieder auf der Karte landet – sogar wenn man die gleiche Aktion mehrfach ausführen will, wie zum Beispiel beim Händler mehrere, verschiedene Güter kaufen.

Fazit

Soviel sollte direkt klar sein: Nobunaga’s Ambition ist sicherlich kein Titel für jedermann – aber das liegt nun einmal in der Natur von Strategiespielen. Als solches kann es sich aber hervorragend behaupten und gehört in der Konsolenfassung momentan zu einem der besten seiner Art. Durch den Detailreichtum, der darin steckt, ist das Spiel sogar nicht nur unterhaltsam, sondern auch lehrreich – man sollte bloß kein allzu großes Problem mit japanischen Orts- und Familiennamen haben. Wie bei jedem Titel gibt es ein paar Ungereimtheiten, doch diese stören das Gesamterlebnis nicht im geringsten. Es gibt zwar leider keine Multiplayer-Komponente, aber wenn die Tage nun wieder länger werden, können geduldige Gamer dennoch etliche unterhaltsame Stunden im mittelalterlichen Japan verbringen. Wer sich darauf einlässt, bekommt im Gegenzug viele lohnenswerte Stunden, bei denen man sich spät nachts noch denkt: „Die eine Burg erobere ich noch!“

Nobunaga’s Ambition: Sphere of Influence ist für die PlayStation 4 auf Blu-ray und Download zum Preis von jeweils 59,99 Euro erhältlich. Auf der PlayStation 3 und auf Steam gibt es nur eine Downloadversion, die jeweils 49,99 Euro beziehungsweise 59,99 Euro kostet.