TESTS

F1 2017

Komplettpaket für Formel-1-Fanatiker

Jan Markus Mäuer · 25. August 2017

F1 2017 ist das einzige Spiel dieses Jahr mit der offiziellen Formel 1-Lizenz. Es fühlt sich wichtig an, das zu erwähnen. Mit dem Aufschwung der letzten Jahre, zumindest was Rennsport-Simulationen angeht, ist ein Lizenztitel wie dieser in einer seltsamen Position. Was den Umfang angeht, kann F1 2017 quasi von Haus aus nicht mit Titeln wie Forza, Gran Turismo oder eben hochklassigen Indie-Titeln wie Assetto Corsa mithalten. Zwar gibt es mit den 20 Strecken der Formel 1-Saison eine solide Anzahl, aber bezüglich Fahrzeuge sowie Disziplinen bietet F1 2017 eben nur Formel 1 (…2017). Und Formel 1-artige Fahrzeuge kann man auch zum Beispiel bei Project Cars fahren, auch wenn F1 2017 da einen Vorsprung hat mit den neuen Regelungen, die die Rennwagen mit neuen Karosserien und breiteren Reifen um einiges verändert haben.

Doch Codemasters versteht es, sich eine eigene Nische zu schlagen und gibt sich voll und ganz Formel 1 als Sportart hin. Und nachdem die 2016-Iteration des Spiels die stagnierende Gameplayqualität der Vorjahre wieder auf einen hohen Standard gebracht hat, wurde der diesjährige Titel genutzt, um das, was funktioniert, auszubauen.

Zunächst ein Blick auf die Features: Natürlich sind die zehn Teams und 20 Strecken der diesjährigen Formel 1-Saison dabei. Vier der Strecken bekommen zusätzlich kürzere Variationen, und der Rennsport-Klassiker Monaco lässt sich auf Wunsch auch Nachts fahren weil warum nicht. Hübsch ist es auf jeden Fall anzusehen. Der KI-Schwierigkeitsgrad der Gegner ist nun individuell anpassbar, genau wie die Meisterschaftsmodi außerhalb des Karrieremodus. Man kann sich seinen eigenen Grand Prix zusammenstellen und dabei nicht nur den Rennkalender bestimmen, sondern auch Regeln, wie die Punktevergabe funktioniert. So kann man ähnlich wie zum Beispiel bei der DTM mehrere Rennen pro Wochenende mit individuellen Rennlängen bestreiten oder Qualifikationsrunden in die Punktevergabe mit aufnehmen. Zusätzlich gibt es neben der Möglichkeit, außerhalb der Karriere die 2017-Rennsaison nachzuspielen, eine Handvoll von Meisterschaftsmodi, welche unterschiedliche Regelvorgaben und Streckenselektionen anbieten oder auch Herausforderungen in unterschiedlichen extremen Wettersituationen bieten.

Der Karrieremodus wiederum bietet nun neue Upgrades und ist nun über zehn Jahre spielbar. Leider jedoch gibt es in diesen zehn Jahren kaum Veränderungen. Hier wäre es interessant gewesen, den Rennkalender ein wenig zu modifizieren, eventuell einen Deutschland Grand-Prix zurückzubringen, der dieses Jahr aufgrund von Verhandlungsschwierigkeiten weder auf dem Nürburgring noch auf dem Hockenheimring stattfindet und auch nicht im Spiel vorhanden ist. Genauso hätte sich es angeboten, hier ein wenig in die Vergangenheit zurückzugehen und eventuell in der 2016er-Saison zu starten, um den Unterschied zwischen den letzten Jahren und den neuen Boliden der aktuelleren Saison offensichtlicher zu machen.

Apropos Vergangenheit: Die größte Enttäuschung liegt womöglich in der Rückkehr des Klassik-Modus‘. Neben den aktuellen Fahrzeugen gibt es elf (plus ein DLC-Fahrzeug in der Launch-Edition) klassische Boliden der letzten 30 Jahre. Das klingt beeindruckend, doch bedenkt man, dass sich die Fahrzeuge von 2000 vorwärts nur im Vergleich zu den 2017er Neuerungen substanziell anders anfühlen und “echte Oldtimer”, wie die Selbstmordmaschinen der 60er nicht da sind, kommt bei den meisten vermutlich nur mäßig Nostalgie auf. Ebenfalls fehlen im Vergleich zum letzten Formel 1-Spiel mit dem “Klassik Modus” (2013) klassische Strecken, weshalb man hier auf solche zurückgreifen muss, die heutzutage immer noch genutzt werden…und DRS Schilder ignoriert.

Der Karrieremodus, das Herzstück des Spiels, ist derweil das, was das Spiel ausmacht und was nebst der Lizenz die wahren Besonderheiten von F1 2017 ausspielen kann. Als eigens erstellter Charakter kann man dabei zunächst frei einen Rennstall seiner Wahl selektieren, jeweils mit eigenen Vorgaben und Schwierigkeitsmodifikatoren. So ist das Team von Haas bereits mit konsistenter Leistung zufrieden und über jeden Meisterschaftspunkt begeistert, während man bei McLaren oder Ferrari nichts geringeres als Podiumsplätze und Saisonsiege erwartet. Neben diesen Zielen ist man im Karrieremodus auch ein wenig in Forschung & Entwicklung involviert. So hat man Kontrolle über die Verwendung von Fahrzeugteilen, die während der Saison abnutzen, aber bekommt auch einen großen RPG-/strategiespielartigen Techtree serviert, der den eigenen Rennwagen (hoffentlich) verbessert.

Auch am Rennwochenende bekommt man in der Box einiges an Individualisierung präsentiert. Auf Wunsch sind Fahrzeugeinstellungen und Boxenstrategien genauso modifizierbar wie die stets enorm wichtige Reifenselektion. Besonders gefällt das Spiel hier darin, auch nicht-hardcore-Fans die Wichtigkeit von Trainings- und Rennstrategien näher zu bringen. So kann man im freien Training quasi einige “Minispiele” bestreiten, die einem gamifiziert die Ideallinie, reifenschonendes sowie spritsparendes Fahren näher bringt und belohnt mit Punkten für den oben erwähnten Techtree. Als Ausgleich für die vielleicht unerwarteten Anstrengungen für die Rennen, sind jedoch die klassischen Fahrzeuge von F1 2017 auf nette Weise in den Karrieremodus eingewebt, und man bekommt hin und wieder eine ungezwungene Gelegenheit, sich in die alten Rennwagen zu setzen und für ein paar Runden ein paar Rennvariationen zu spielen.

Codemasters pusht hier besonders, sich als Spieler mit allen Aspekten des Spiels vertraut zu machen und selbst wenn man sich nicht als Simulationsprofi sieht, sollte man auf jeden Fall Abnutzungen und Schäden eingeschaltet lassen und die Rennlänge auf mindestens 25% der realen Rennlängen einstellen, damit Boxenstopps, Wetter und Technik eine Rolle spielen. Aber auch dann bleibt das Spiel bei Bedarf noch recht einsteigerfreundlich.

Auf der Rennstrecke weiß F1 2017 wie auch sein Vorgänger zu gefallen. Hardcore-Simulanten finden sicherlich realistischere Rennspiele, aber sowohl selbsternannte Profis wie auch kausalere Rennfahrer sollten gefallen an dem Spiel finden, wenn er es anhand der umfangreichen Spieloptionen individualisiert hat. Auch dank der Fahrzeuge, die sowohl im Spiel als auch im realen Sport mehr Grip haben und entsprechend schnelleres Fahren erlauben, fühlt sich das Spiel gut an und selbst mit einigen Assistenten merkt man den Einfluss, den das Wetter und die zunehmend schlechter werdenden Reifen auf das Fahrverhalten haben.

Optisch präsentiert sich das Spiel solide, auch wenn es nicht mit den besseren Genrevertretern konkurrieren kann. Dennoch bietet es im Gegensatz zu vielen Konkurrenten dank einiger TV-artiger Cutscenes eine belebtere Atmosphäre mit erkennbaren Persönlichkeiten und beschäftigt-geschäftigen NPCs. Und das dynamische Wetter im Spiel ist sogar herausragend, mit stimmungsvoller Beleuchtung und Regeneffekten, die das Chaos, ein offenes, extrem schnelles Vehikel in nassem Wetter zu fahren, auf eine fast schon furchterregende Weise zeigen, was besonders in den zwei möglichen Nachtfahrten besonders schick aussieht.

Zudem läuft das ganze mit super stabilen 60fps und einem entsprechend hohen Geschwindigkeitsgefühl. Leider kommt dieses jedoch nicht ganz mühelos: Wenn das Spiel ein bisschen mehr darzustellen hat, kommt es (auf Konsolen) sehr schnell zu Tearingproblemen, die das Spiel zwar nicht kaputtmachen, aber durchaus störend auffallen.

Es wäre super, wenn sich das noch mit einem Patch beheben ließe, aber ähnlich mit einigen erwähnten vergeudetem Potenzial, gibt es im Zweifel wohl immer ein nächstes Jahr.