TESTS

Far From Noise

Ein kleiner Moment der Stille.

Jan Markus Mäuer · 6. Februar 2018

Am Anfang des Spiels findet man ein ungewöhnliches Bild: Über einen endlosen Ozean ragt eine malerische Klippe und über dieser Klippe ragt eine schrottige “Ente” – das Auto! – und schaukelt gefährlich hin und her.

Dies ist jedoch keine Einladung sich mit Aufmerksamkeit und Kombinationsfähigkeit über ein Point & Click-Interface aus der Situation zu bringen oder der Anfang einer billigen Version eines Uncharted-esquen Platformer-Setpieces. Viel mehr hält das Auto die ungesehene Protagonistin in einem Moment ihres Lebens fest, vielleicht dem letzten. Man verbringt eine Weile in den eigenen Gedanken und eine längere Weile in einem anregenden Gespräch mit einem Hirsch, den man zufällig begegnet. Ob man wirklich mit einem Hirsch redet oder es eine elaborate Halluzination der Protagonistin ist, wird mit der Zeit genauso unwichtig wie die tödliche Situation, die nicht wegzugehen scheint.

Far from Noise ist ein, wie man sich denken kann, bewusst leises Spiel, getrieben von einer losen, symbol- und philosophiereichen Handlung die man als kunstvoll, wenn man bösartig ist womöglich etwas prätentiös, bezeichnen kann.
“Gespielt” wird rein durch die Wahl von Dialogfetzen, aber überlässt dem Spieler einiges an Kontrolle. Ob man seinem Schrottauto einen Namen gibt oder welchen Hintergrund die ungesehene Protagonistin hat, kann von einer kleinen Auswahl an Optionen gewählt werden. Ob es für den gesamten Plot eine allzu große Rolle spielt, ist fragwürdig, aber man bekommt das Gefühl mit dem Spiel selbst kooperativ einen Charakter zu formen, was durchaus das persönliche Involvement steigert.

In den insgesamt zwei bis drei Stunden Spielzeit erlebt man eine Konversation über viele Dinge und Konzepte, mit denen man sich sicherlich selbst identifizieren kann. Oder vielleicht auch etwas daraus lernen, wer weiß. Ich hatte das Gefühl, dass einige Intentionen von Spielschöpfer und Autor George Batchelor an mir vorbeigingen und wenn es eine große gesamte Moral des Ganzen gibt, a̱u̱ßer der Motivation selbst einmal einen Moment zu nutzen, sich selbst aus anderen Perspektiven zu betrachten, so habe ich diese vermisst.
ABER, und das ist die große Qualität eines solch minimalistischen Spiels, ich habe mich nicht gelangweilt oder Interesse verloren.
Dies liegt an dem exzellenten Pacing, mit dem die Handlung entlang fließt. Das Spiel verbleibt über seine ganze Länge am anfangs beschriebenen Ort in einer überwiegend statischen Perspektive. Aber genauso wie die surrealen Konversationen mit sich selbst oder dem majestätischen Hirsch natürlich von einem Thema zum anderen läuft, wechselt der Tag in Abend und Nacht über, und um einen herum passieren mal kleine, mal große Dinge. Ein orchestraler Soundtrack hebt und senkt sich aus dem sanften Küstenrauschen. Und der Dialog, der rein per Text wiedergegeben wird ohne Vertonung ebenfalls auf eine Weise eingeblendet, die Emotionen und Sprachfluss exzellent vermittelt (dank der selben Technik, die auch schon dem fantastischen Night in the Woods großartiges Timing gegeben hat).

Und es sind eben diese inszenatorischen Touches, die Far From Noise abheben von der Summe des Kurzgeschichten-artigen Textes, die den Kern des Spiels bildet. Wie viele Spiele seiner Art nicht jedermanns Sache, aber wer sich drauf einlassen will wird es wohl kaum bereuen.