TESTS

Tetris Effect

Yours Forever

Jan Markus Mäuer · 17. Dezember 2018

Das Vermächtnis, welches der legendäre Spieleproduzent Tetsuya Mizuguchi eines Tages hinterlassen wird (nebst seinem Involvement mit der legendären Sega Rally Serie), ist das seine Spiele mit allen Sinnen erlebt werden. Sein wohl bekanntester Titel REZ ist vielleicht auch das beste Beispiel. Oberflächlich ein recht direkter und simplifizierter “Klon” von Panzer Dragoon, macht der audiovisuelle Aspekt des Spiels einen massiven Unterschied. Die Computerwelten und der Electro-Soundtrack entwickelt sich Evolutionsartig über die Länge der Levels hinweg, angetrieben von dem was man als Spieler tut: Man attackiert nicht nur Gegner, man hinterlässt Spuren und re-mixt die Hintergrundmusik im Feedback seiner eigenen Aktionen (Die sogar doppelt spürbar werden konnten durch den “Trance Vibrator”, ein zusätzlicher separater Vibrationsmotor für REZ der absolut nicht für den Zweck da ist an den ihr als erstes gedacht habt….ZWINKER ZWINKER).

Es ist schwer zu beschreiben aber schnell zu verstehen. Ein Erlebnis, das spätestens mit dem (zweiten) Remaster REZ: Infinite durch Virtual Reality Unterstützung gezeigt hat, wie weit der Titel seiner Zeit voraus war.

Seit REZ waren die meisten seiner Spiele in der ein oder anderen Weise von diesem “synästhetischen” Design geprägt, von Titeln wie dem sprituellen REZ Nachfolger Child of Eden über das explosive Arcade Spiel Every Extend Extra oder den Remakes des Puzzlespiels Gunpey (ein Tribut an den Erfinder des Game Boy).

Davor jedoch entwickelte Mizuguchi anno 2004 eine Faszination für die Playstation Portable, Sonys damals brandneues Handheld Debüt. Mit Grafik und vor allem Sound die im Handheld Bereich damals allem voraus war, sah er das Gerät als eine Art “Interaktiver Walkman” und wollte ein Spiel schaffen, das einfach zugängliches Puzzle Gameplay mit hochwertiger Musik verbindet. Der Plan war es Tetris auf die PSP zu bringen, doch kamen Lizenzverhandlungen zu keinem Ergebnis. So war die nächstbeste Lösung ein eigens entwickeltes und selbst benanntes “Puzzle Fusion” Spiel namens Lumines, ein Must Have für die Plattform und inzwischen selbst ein Puzzle Klassiker. Nicht ganz Tetris, aber potenziell so nah wie man diesem kommen kann.

Und so kommen wir über ein Jahrzehnt später zu Tetris Effect…ein Spiel an dem Mizuguchi nicht ganz so involviert war wie mit früheren Titeln, aber einer der in allen Aspekten seine Signatur trägt (ja, Weltraum-Wale aus Sternenstaub sind auch zu finden) und seinen einstmaligen PSP Traum verwirklicht.

Tetris, derweil, ist Tetris. Ein Spiel, das ein essentieller Teil der Videospielhistorie ist und dank seiner dauerhaften Existenz auf so gut wie jedem Computer und Videospielgerät der letzten 30 Jahre (ganz zu schweigen von diversen anderen Dingen wie Taschenrechner, Brettspiele und Haushaltsgeräten) fast schon etwas zu selbstverständlich unterschätzt wird.

Tetris begann mit einem nahezu perfekten Spieldesign, an dem seitdem nur noch weiter geschliffen wurde. Zu dem Punkt hin das moderne Tetrisspiele, offiziell nach den Vorgaben der strengen Regeln der “Tetris Company” geschaffen, im Grunde zwar das gleiche Spiel sind, tatsächlich aber so viele Detailunterschiede hat, das sie sich nicht nur anders spielen, sondern auch für Spaltungen der massiven Fanbase sorgen, der sich zum Teil lieber strikt auf “Klassisches Tetris” in e-Sports Turnieren zurückbesinnt.

Tetris Effect gehört natürlich zu den neuen Iterationen des Gameplay Designs, mit T-Spins, langen Lock-Delays, Ghost-Pieces und variablen Hard- und Softdrops. Und in diesem Sinne ist es fast schon etwas konservativ: Gegenüber Spielen wie zum Beispiel Puyo Puyo Tetris, ganz zu schweigen von exotischeren Variationen wie man sie von einem Tetrisphere oder Tetris Plus kennt, spielt sich Tetris Effect in den Grundlagen recht “normal” und wenig transformativ.

Und doch fühlt es sich schon mit dem ersten Screen wie etwas besonderes an.

Herzstück des Spiels ist der “Journey Mode”, der aus etwa 30 Leveln besteht, unterteilt in Sets von drei bis fünf, die hintereinander gespielt werden. Angelehnt an den eben einstigen “Tetris Ersatz” Lumines unterscheiden sich diese Level am auffälligsten durch ihre “Skins”, den Hintergründen, der Musik, den Soundeffekten, sogar dem Look der Tetrominos selbst. Das Spielfeld pulsiert im Takt der Musik die durch jede Interaktion zusätzlich untermalt wird, während die Hintergründe durch aufwendig inszenierte, mal-mehr-mal-weniger surreale 3D Welten führen, die im zunehmenden Spielverlauf voranschreiten und/oder sich weiterzuentwickeln.

Das dient natürlich in der Hauptsache dem audiovisuellem Spektakel, doch auch im Spielerischen hebt sich Tetris Effect von vorherigen Spielen ab.

Zum einen im “Journey” Exklusiven “Zone” Modus, der das Spielgeschehen (und das Verschwinden von Lines) kurzzeitig einfriert und absurde Combos mit Namen wie “Dodehexatris” erlaubt (Normalerweise ist ein “Tetris” das höchste was man erreichen kann), zum anderen jedoch im Einfluss auf das größere Spielgeschehen.

So war es bisher eigentlich immer üblich, das Tetris als Spiel einen recht linearen Spielfluss hat. Schwierigkeitsgrade sind verbunden mit der Geschwindigkeit, in der die Tetrominos ins Spielfeld fallen, und im Laufe eines Spiels steigt der Geschwindigkeitslevel entweder an bis der Spieler verliert (potenziell unvermeidlich da es theoretisch keine Obergrenze für die Spielgeschwindigkeit gibt) oder ein Ziel erreicht wurde. Ein strikt linearer Spielfluss also.

Doch im Journey Modus bestimmen die Levels den Spielverlauf. Zwischen den festen Limit an zu erreichenden Lines, die für das Fortschreiten zum nächsten Level verlangt werden, variieren Spielgeschwindigkeit und Intensität in einem Auf und Ab, bauen sich mit der Musik und der Grafik zu einem klimatischen Finale auf und ebben zurück in ruhigere Momente.

Ab und an mag das befremdlich wirken da man nicht unbedingt vorhersehen kann, wann der Spielfluss abbremst oder beschleunigt. Aber mit der dadurch geschaffenen “Spannungskurve” macht es Tetris Matches zum ersten Mal potenziell denkwürdig auf eine Weise die sich nicht auf bloße Highscores bezieht. Dabei hilft es, dass wie bei Spielen wie REZ, Lumines und Child of Eden sowohl der Soundtrack als auch die visuelle Präsentation absolut exzellent sind. Und auch wenn die verschiedenen Levels bzw. Skins nicht direkt aufeinander aufbauen bestehen starke zusammenhängende Themen, mit oftmals wortwörtlichen Reisen (“Journey Mode” halt) zu verschiedenen irdischen und außerirdischen Szenerien, gepaart mit oftmals sehr lebensbejahenden Songtextfetzen. Es ist vermutlich so emotional mitreißend wie ein Tetris Spiel je sein könnte.

Abseits des “primären” Jouney Modus bietet Tetris Effect ein vollwertiges Tetris Spiel mit einem vollen Arsenal an Modi. Klassische Marathon (bis 150 Lines), Endless und Sprint (Zeitlimit) Variationen sind vorhanden, nebst alternativen “Playlisten” der verschiedenen Level und extra-entspannten “Zen” Modi ohne Game Over.

Wie anfangs erwähnt, gibt sich Tetris Effect etwas konservativ und bietet nicht allzuviele wirklich ausgefallene Spielvariationen, aber am ungewöhnlicheren Spektrum der Spielmodi findet sich immerhin ein “Mystery” Modus der einem regelmäßig seltsame Handicaps in den Weg wirft und einige eher Puzzle-artige Spielvarianten. Ein Highlight für besonders masochistische Tetris Spieler ist sicherlich der Master Modus. Angelehnt an den 20G Schwierigkeitslevel von Arika’s legendärer Tetris: The Grand Master Serie, “fallen” die Tetromino Steine hier nicht mehr sondern erscheinen direkt am Boden des Spielfelds, so das man nur über die Länge der (mit jedem Level kürzer werdenden) “Lock”-Verzögerung Zeit hat die Steine über das Spielfeld zu schleifen. Es ist äußerst stressig für ein sonst oft eher meditatives Spiel.

Oh ja, und das Spiel ist in Virtual Reality spielbar. Für ein Spiel dessen Erstankündigung geprägt war von dem Aufhänger, Tetris in VR zu sein, komme ich vielleicht etwas spät drauf zu sprechen. Es ist halt ein wenig eigenartig, alles in allem. Tetris Effect ist komplett in VR als auch in 2D Spielbar. Es gibt keine “exklusiven” VR Modi, und das Spiel ändert sich nicht fundamental mithilfe des VR Headsets. Man spielt weiterhin Tetris mit seinem ziemlich zweidimensionalen Spielfeld, und ausserhalb der potenziellen Möglichkeit, dass der Bildschirm des PSVR Headsets etwas verzögerungsfreier ist als ein HD Fernseher, hat man keinen spielerischen Vorteil von. Dennoch ist es erwähnenswert, dass VR Tetris Effect durchaus bereichert. Die sowieso beeindruckenden Effekte und Hintergründe sind nochmals eindrucksvoller und der tituläre immersive “Tetris Effect” ist umso stärker wenn man vollends in die Spielwelten versetzt wird. Wem die Möglichkeit gegeben ist, der sollte definitiv mindestens den “Journey” Modus einmal in VR durchspielen.

Aber dennoch: Für ein Spiel das sich gut für ein oder zwei kurze Spielrunden eignet, verübel ich es niemanden darauf zu verzichten jedesmal für Tetris Effect ein Headset aufzusetzen und sich womöglich mit Kalibrierungen auseinanderzusetzen. Ich spiels auch zumeist 2D.

Mit der exzellenten Präsentation, absolut einwandfreien Spielbarkeit und recht umfangreichen Feature-Set bin ich sehr verführt (wie auch manch andere) Tetris Effect als das beste Tetris Spiel aller Zeiten zu küren, doch leider gibt es einen recht großen Faux-Pas, der angesprochen werden muss. Während das Paket für Einzelspieler trotz des recht hohen (Launch)Preises umfangreich und vollständig ist, ist Multiplayer in Tetris Effect quasi komplett abwesend. Ausserhalb von üblichen, eher durchschnittlich implementierten Leaderboards gibt es weder lokal noch online irgendwelche Versus Modi oder wenigstens direkte Score Duelle. Wer sich in irgendeiner Form mit anderen Spielern auf der PS4 in Sachen Tetris messen will, muss auf das (ebenfalls ausgezeichnete) Puyo Puyo Tetris ausweichen.

Man kanns vielleicht mit dem VR Fokus des Spiels erklären, aber nicht wirklich zu entschuldigen. Mit einem anderweitig so überzeugenden Paket bleibt es dennoch eine Enttäuschung.

Dennoch, trotz dieses unübersehbaren Tadels bleibt am Ende nichts anderes zu sagen als…