TESTS

The Inpatient

Horrorspiel der Extra-Klasse oder doch nur ein Spiel zum gruseln?

Marco Mühlen · 25. Januar 2018

Im Jahre 2015 hat Supermassive Games mit Until Dawn ein cooles Horror-Adventure auf den Markt geworfen, der den klassischen Teenie-Slasher-Film-Klischees folgte. Jetzt kommt mit The Inpatient eine Art Spin-Off daher, welches vollkommen auf PlayStation VR setzt.

Amnesie und Alpträume

Wir starten das Spiel gefesselt an einem Stuhl und vor uns steht ein älterer Herr mit Brille, der sich dann später als Dr. Bragg vorstellt. Als Spieler wissen wir zunächst einmal genauso viel wie unsere Hauptfigur, dessen Hautfarbe und Geschlecht wir frei wählen können. Unser Charakter leidet unter Amnesie und wir sind in einem Sanatorium, um behandelt zu werden. Das behaupten jedenfalls die Ärzte.

Den Anfang verbringen wir dann erst einmal weiterhin gefesselt in einem Rollstuhl. Dies ist auch eine der besonders gelungenen Momente im Spiel. Es hat schon fast etwas gemütliches, so herumkutschiert zu werden und Gesprächen zu lauschen. Wenn man diesen Part im Sitzen spielt, hat man schon ein recht immersives Gefühl beim Spielen. Zudem sieht das Blackwood Pines Sanatorium von innen (noch) sehr schick aus.

Das Blackwood Pines Sanatorium ist zunächst noch sauber und aufgeräumt.

Währenddessen werden wir auch immer wieder befragt, woraufhin wir immer nur zwei Antwort-Möglichkeiten haben. Diese werden meist mit Gefühlswörtern wie „verärgert“ oder „sarkastisch“  noch einmal beschrieben, damit wir genau wissen, in welcher Tonlage unsere Antwort gegeben wird. Eine dritte Alternative ist es, einfach zu schweigen. Dabei besteht sogar die Möglichkeit, durch Vorlesen des Satzes per Spracherkennung die Entscheidung zu treffen. Das funktionierte in unserem Test sogar ausgesprochen gut.

Nach einiger Zeit werden wir dann in unser Zimmer gebracht. Hier dürfen wir dann auch aufstehen und im Raum umherlaufen. Da kommt dann allerdings schon die doch eher durchwachsene Steuerung zum Tragen. Unsere Figur bewegt sich eher wie ein Panzer als ein Mensch. Schön ist, dass man die Drehungen der Perspektive in den Einstellungen einstellen kann, so dass man jederzeit wechseln kann zwischen freihem Drehen und verschiedenen Winkeln, in denen sich unsere Figur drehen soll. Dies kann sicherlich dem ein oder anderen helfen, der bei den Bewegungen Übelkeit verspüren sollte.

Das Problem bei der Steuerung ist, dass sich die Figur nicht nur sehr träge nach vorne bewegt, sondern dass Seitwärtsbewegungen fast gar nicht funktionieren. So dreht man immer die Figur und läuft dann wie ein Roboter auf Schienen weiter. Dafür dürfen wir uns mit einer 180 Grad Drehung auch ganz schnell wieder nach hinten bewegen. Falls da mal etwas kommen würde, wovor wir ganz schnell flüchten müssten.

Wenn wir uns mit allen ein wenig vertraut gemacht haben, bekommen wir plötzlich Zuwachs in unserem Zimmer. Man stellt uns einen neuen Mitbewohner beziehungsweise Mitbewohnerin vor. Als gemeinsam Gefangene in der Sanatorium-Gefängniszelle stellen wir uns gemeinsam vor und stellen fest, dass wir beide wohl nicht ganz zu Recht eingesperrt werden. Gemeinsam heißt es nun, auf Essen warten und den Tag verstreichen lassen.

Für mich und die Zimmergenossin gibt es jetzt Essen.

Endet ein Tag, landen wir plötzlich in einem Alptraum. Diese sind eine seltsame Mischung aus Realität, Erinnerungen und verstörenden Bildern. Diese merkwürdigen Alpträume laufen immer so ab, dass wir einen bestimmten Flur folgen müssen. Meistens begegnen wir dabei noch einer Person, mit der wir vorher noch zu tun hatten, oder mit seltsamen Tieren. Atmosphärisch sind diese durchaus gelungen und lassen einen dann doch an den Verstand unserer Figur zweifeln. Zudem gibt es auch ein paar gut inszenierte Jump Scares.

Wieder aufgewacht, geht der Alltag weiter. Doch dann passiert etwas merkwürdiges. Wir können es nicht sehen, sondern können nur seltsame Geräusche hinter der Tür vernehmen. Aber es scheint sich Panik breit zu machen, bis dann plötzlich nur noch Stille herrscht. Was ist passiert? Und was wird mit uns geschehen?

Entscheidungsbäume

Im Spiel treffen wir immer mal wieder Entscheidungen. Meist sind sie sehr dezent, sollen aber große Auswirkungen auf den Spielverlauf haben. Bei den Dialogen wird dies meist sehr deutlich gemacht, indem plötzlich ein Schwarm Schmetterlinge von unser Antwort davon flattert. Das kann einen dann ein schön schauriges Gefühl vermitteln, gerade eine gewichtige Entscheidung vielleicht falsch getroffen zu haben.

Doch wie allen Spielen dieser Art darf man hier auch nicht zu viel erwarten. Oft sind Entscheidungen nur marginal. Und anders als in Until Dawn gibt es bei The Inpatient nicht viele Figuren, mit denen man großartig mitleiden würde. Nur Pfleger Abe, der uns von seinen Liebesproblemen mit Schwester Suzanne erzählt, hat ein wenig Persönlichkeit, während die anderen Figuren alle ein wenig blass wirken. Das trifft auch auf die Zimmergenossen zu, mit denen wir mehr Zeit verbringen, aber irgendwie nicht ganz so authentisch wirken.

Einer der sympathischeren Figuren im Spiel.

Wenn wir Entscheidungen treffen, können wir diese im Menü uns noch einmal vor Augen führen, ähnlich wie in Until Dawn. So können wir uns in einem weiteren Durchgang des Spieles eventuell anders verhalten.

Die 50er sind zurück

Im Spiel befinden wir uns im Jahre 1952 und daher ist auch der gesamte Stil der Epoche angeglichen. Optisch ist der Titel wirklich beeindruckend – gerade für ein PlayStation VR Spiel. Die Lichteffekte mit den sanften Strahlen, die die düsteren Korridore des Sanatoriums nur leicht erhellen, tragen ebenso zu der Atmosphäre bei wie die finsteren Nebeleffekte. Und auch die Charakter-Modelle können sich sehen lassen. Zwar kann die Grafik nicht an Until Dawn heranreichen, aber optisch ist es durchaus einer der schönsten PlayStation VR-Titel.

Optisch weiß das Spiel durchaus zu begeistern. Die Figuren sehen gut aus und die Umgebung ist gut in Szene gesetzt.

Hin und wieder tricksen die Entwickler auch ein wenig, um die grafische Opulenz auf einem gleichbleibenden Niveau zu halten. Dazu gehören auch die recht häufigen Ladepausen zwischen verschiedenen Räumen. Während man am Anfang das noch gar nicht bemerkt, weil man sich vom Sanatorium plötzlich in einen Alptraum bewegt, wird es auffälliger, wenn man nur um die Ecke geht und plötzlich alles schwarz wird. Es ist immer nur etwa eine Sekunde lange, inszeniert mit ein paar unheimliche Geräuschen, aber es reißt einen ein wenig aus der Immersion heraus.

Auch die sehr auffällig leuchtenden Interaktionsstellen fallen ein wenig aus dem Stil heraus. Allerdings kann man sie so gut wahrnehmen und helfen ein wenig in der Orientierung. Und es hilft immer, wenn man weiß, was man als nächstes zu tun hat.

Hakelig und ungenau

Wenn man mit Gegenständen interagiert, wird die Handhabung dessen ein wenig ungenau. Heben wir zum Beispiel einen Zettel auf, greifen wir mit der rechten Schultertaste zu und heben dann mit dem Controller in einer Aufwärtsbewegung diesen hoch. Kennt man ja auch schon aus Until Dawn. Allerdings ist die Erkennung der Höhe deutlich ungenauer und so müssen wir den Arm deutlich strecken, bis wir in der Lage sind, den Zettel vernünftig zu drehen und die Rückseite zu betrachten.

Die Ungenauigkeit trifft auch auf andere Interaktionen zu wie das einfache Türen öffnen, was zum Glück aber teils mit einer einfachen Bewegung automatisch verläuft. Das Drücken von Knöpfen verläuft auch nicht immer ganz so exakt, wie man sich das vorstellt, aber auch damit kann man leben, da dies nicht ganz so häufig passiert.

Tragischer hingegen ist die oben bereits erwähnte träge Steuerung. Man kann sich nur sehr schwerfällig durch die Räumlichkeiten bewegen, eine Taste zum Rennen fehlt. Auch bleibt man sehr of an Kanten oder Türrahmen hängen, was dazu führt, dass man noch einmal sich umdrehen und zurückgehen muss. Das kann an spannenden Stellen dann schon recht nervig sein.

Die Drehungen, die frei einstellbar sein, sind eigentlich gut implementiert, allerdings kam es mehr als einmal vor, dass man unfreiwillig plötzlich eine 180 Grad Drehung vollzogen hat. Die erwischt einen dann besonders hart, wenn man es nicht erwartet und man hat für den ersten Moment komplett die Orientierung verloren.

Lange Gänge können zu Fuß recht lange dauern, da wir nicht schnell gehen können.

Dann gibt es da noch die Taschenlampe, die wir im späteren Verlauf des Spieles erhalten, mit der wir in den dunklen Gängen umherleuchten können. Das funktioniert eigentlich sogar recht gut, allerdings ist die Haltung der Taschenlampe nicht ganz so konform wie wir den entsprechenden Controller halten. Oft muss man den Controller relativ schräg halten, damit wir im Spiel die Taschenlampe gerade halten.

Ein kurzes Vergnügen

Nach etwa vier bis fünf Stunden ist das Spiel schon vorbei. Wenn man glaubt, die Geschichte fängt jetzt erst richtig an, ist sie nach ein paar Minuten schon wieder vorbei. Anstatt immer den vorgegebenen Weg zu gehen, kann man durchaus noch die weiteren Räumlichkeiten genauestens untersuchen und noch weitere Erinnerungsfragmente finden, doch ist die doch sehr störrische Steuerung dafür nicht einladend genug. Sonst würde man sicherlich noch mehr Zeit in das Spiel investieren.

Dabei ist der Auftakt des Abenteuers wirklich gelungen, die Geschichte ist spannend und interessant gestaltet. Doch dann fällt das Interesse in der letzten halben Stunden deutlich ab. Waren die offenen Fragen über die eigene Person, die Verschwörungstheorien und unheimlichen Geräusche noch so aufwühlend, dass man immer weiter der Geschichte folgt, so fallen die Antworten doch viel zu schnell auf einen herab und führen zu einem doch eher unbefriedigenden Ende.