TESTS

The Long Dark

Outdoor-Fans aufgepasst. Ihr müsst nicht mehr nach draußen um ein Abenteuer zu erleben.

Sebastian · 26. August 2017

Jetzt kommt etwas, was man so ganz sicher noch nicht erlebt hat. The Long Dark, der frische Titel des Studios Hinterland Studio bringt den sehr interessanten Survival-Simulator mit Charakter, nun auch auf die PlayStation 4.

Als Chef-Entwickler Raphael van Lierop eine kurze Anmerkung zum Pressematerial schrieb, kann man bereits ein wenig schmunzeln, denn man liest zwischen den Zeilen, dass The Long Dark mehr als nur ein gewöhnlicher Titel ist. “Das Spiel ist nicht perfekt”, eine “große Vision”. Der Mensch hat recht, es ist nicht perfekt, aber ebenso eine sehr große Vision, und sogar noch vieles mehr.

Glück im Unglück

Das Spiel The Long Dark beginnt sehr turbulent. Die erste Episode mit dem Namen “Wintermute” bringt uns ins Geschehen eines furchtbaren Unglücks, einen Flugzeugabsturz. Wir spielen William Mackenzie, einen Postpiloten, der mit seinem Flugzeug, einer Havilland Canada DHC-2, in den Bergen im Norden Kanadas abstürzt. Außer William befindet sich niemand an der Stelle des Absturzes. Doch warum sind wir alleine und vor allem abgestürzt?

Aufstehen und weitermachen

Kaum sind wir zu uns gekommen, bemerken wir, dass wir ein Metallteil in unserer linken Hand stecken haben. Die erste Aufgabe stellt sich uns gegenüber: Entferne das Wrackteil aus der Hand. Wir befinden uns in mitten eines Schneesturmes, neben uns liegen brennende Wrackteile.

Wie es scheint, waren wir alleine an Board des Flugzeuges. Keine Leichen, kein Geschreie – nur wir inmitten einer Unfallstelle, jeder Menge Schnee und vieler offener Fragen. Unser Ziel scheint gewiss zu sein: überleben.

Kaum ein wenig Energie geschöpft und auf den Beinen, schleppen wir uns langsam von A nach B zu den umher liegenden Teilen auf dem Boden. Schnell haben wir eine kleine Sammlung von sinnvollen Dingen gesammelt. Streichhölzer, Stöcke und sogar ein wenig Nahrung finden wir bereits in den ersten Minuten.

Im Laufe der Zeit finden wir immer wieder Gegenstände, Kleidung und scheinbar unbrauchbare Gegenstände. Letztere können uns oftmals das Leben retten, ohne dass wir es vermuten.

Überleben um jeden Preis

Ok, wir müssen überleben. Aber wie machen wir das nun? Wer nun den klassischen Rucksack mit 15 Slots erwartet, und eine Energieanzeige die mit der Zeit gegen Null geht, liegt absolut richtig in der Vermutung. Aber es gibt noch mehr. Wir müssen uns wirklich um alles kümmern. Brennholz inklusive Anzünder, Wunden müssen entsprechend versorgt werden mit vorheriger Desinfizierung und einer passenden Bandage. Für Trinkwasser muss Wasser geschmolzen, abgekocht und gefiltert werden. Dabei nimmt sich das Spiel sogar die Zeit, jeden einzelnen Schritt aktiv durchführen zu müssen. So etwas wie “Schnee zu trinkbaren Wasser machen” gibt es in The Long Dark schlichtweg nicht. Und genau das ist, was das Spiel so spannend macht.

In den ersten Abschnitten des Spiels wird man von der Vielfalt des Inventars überrascht sein. Sehr viele Elemente die man anklicken kann, Kennzahlen zum Zustand unseres Charakters, aktuelles Befinden sowie eine Art Uhr, damit wir wissen wie lang der Tag oder die Nacht noch dauern werden. Dabei ist das Inventar nicht immer konsequent und logisch aufgebaut, was gerade Einsteigern den Einstieg etwas erschwert. Kommt eine neue Aktion beim bewegen, wie zum Beispiel kriechen, oder ein frisches Spielelement hinzu, hilft einem das Spiel mit sinnvollen und sachlichen Hilfetexten.

Unseren Zustand im Auge behalten

Wir können stets sehen wie gut es William gerade geht. Er hat vier Parameter als Diagramme, die es aufrecht zu erhalten gilt. Körpertemperatur, Müdigkeit, Durst und Hunger. Wird ein kleiner Pfeil nach oben neben dem Diagramm angezeigt, so verbessert sich dieser Parameter gerade. Zwei und drei kleine Pfeile zeigen entsprechend schnellere Besserung an. Ebenso gehen die Pfeile auch nach unten. Sind wir nämlich etwas länger unterwegs, sinkt die Körpertemperatur sichtlich und in sehr schneller Geschwindigkeit. Dann heißt es: Schnell ein Feuer machen und aufwärmen. Es wäre kein Survival-Simulator, wenn man nicht wirklich an alles gedacht hätte. Sogar die Kalorien werden pro Mahlzeit entsprechend angezeigt und sagen uns, wie lange der Körper davon zehren kann.

Die Sache mit dem Realismus

Wenn man The Long Dark die ersten Momente spielt, kann man schnell ein wenig überfordert oder erschlagen werden, aufgrund der vielen kleinen Parameter, die man im Auge behalten muss. Aber wenn einem eine Sache schnell gefallen wird, dann ist es die Freiheit, die dem Spieler gegeben wird. Ein Feuer kann nahezu überall gemacht werden. Gegenstände können zerlegt und gegen entsprechende Ressourcen getauscht werden. Findet man beispielsweise eine Jacke, so kann diese zu Stoff verarbeitet werden. Dieser Stoff sorgt dann wieder dafür, dass man seine Kleidung reparieren und somit einfacher überleben kann. Auch sind Kleidungsstücke die man findet natürlich gefroren. Man muss sie anziehen und sich mit diesen ans Feuer setzen, damit der Gefroren-Parameter langsam gegen null geht. Tun wir dies nicht, schadet uns das tragen der Kleidung sogar.

Immer alles im Blick. Unten sehen wir die vier Diagramme, die den Zustand von William darstellen.

1000 und eine Nacht, im Schnee

Das Ausmaß des Spiels wird einem erst bewusst, wenn man sich in Sicherheit wiegt und denkt, dass man die Nacht schon überstehen wird. Oftmals kommt es nämlich ganz anders. Wir müssen am Tag ständig neue Ressourcen für unser Feuer suchen. Ohne Feuer geht schlichtweg nichts. Keine Wärme führt zum erfrieren, erfrieren führt zum Tod. Die ersten Nächte nimmt einem das Spiel noch einige Sucharbeiten ab und man findet jede Menge Holzkisten, Stöcke und andere brennbare Teile. Aber sind wir nach einigen Tagen etwas weiter gekommen, sieht es schon anders aus. Die pure Verzweiflung steht einem dann ins Gesicht geschrieben, wenn man denkt, dass man an alles gedacht hat und dann mitten in der Nacht merkt, dass das Brennholz niemals bis zum Morgen reichen wird. Dann ist man nämlich angehalten, in der Nacht – wohlgemerkt ohne Licht, eventuell mit einer Fackel, sollte das Feuer noch brennen – durch den Schnee zu laufen und verzweifelt nach brennbaren Sachen zu suchen. Schnell sieht man zu wenig und stürzt nur wenige Meter einen Hang hinunter. Nicht nur einmal war dies das Ende des Abenteuers, wenn man mit Knochenbrüchen und einer verstauchten Hand und ohne Hilfe im Schnee verendet.

Ein Indie-Titel mit viel dahinter

Man sieht The Long Dark direkt an, dass hinter der Entwicklung kein AAA-Studio steckt, auch wenn einige der Teammitglieder von solchen Studios kommen. Das Interface ist sinnvoll gestaltet, aber hat hin und wieder einige Lücken in der Bedienung, so dass man manchmal sucht, wo sich das Menü X denn nun noch einmal befindet. Die Steuerung ist in Ordnung, aber das zielen mit dem lächerlich kleinen Fadenkreuz, eher ein Punkt, ist einfach nur nervig und kostet zusätzlich nerven. Hier wäre etwas Fuzzy’ness schön gewesen, damit man nicht millimetergenau zielen muss. Dennoch ist dem Studio hoch anzurechnen, dass man an so viele Details gedacht hat. Im Test erschien es manchmal so, als hätte man einen Kojima-Titel vor sich, denn auch hier kann man sehr viele Dinge machen – weil es geht. Die Story des Spiels ist toll und wenn man einige Zeit gespielt hat, wird man mit wunderschönen Zwischensequenzen belohnt und man erfährt endlich mehr darüber, was überhaupt passiert ist.