TESTS

Tower of Time (Steam)

Tower of Time ist ein unikales Spiel aus dem Genre RPG / Rollenspiel. Was macht es genau so besonders? Hier im Test erfahrt ihr es.

Anton Fedorov · 23. April 2018

Das Spiel ist das erste Werk des unabhängigen polnischen Entwicklers Event Horizon. Sie entwickeln Tower of Time vollkommen unabhängig und veröffentlichen es selbstständig. Seit dem 14. Juli 2017 befand sich das Projekt im Early Access auf Steam und erreichte das Ziel am 12. April 2018 als finales Release zu erscheinen. Dieses RPG war auf dem ersten Blick ein vielversprechendes Projekt und wurde seitdem fleißig von dem Indie Entwickler gepflegt. Event Horizon ist sehr aktiv in den Steam Foren unterwegs, hat viel auf die Community gehört und stetig die Fragen beantwortet. Also ist es in erster Linie  schön zu sehen, dass es solche Early Access Spiele und solche Entwickler gibt… Aber wie ist Tower of Time an sich geworden?

Der Anfang

Am Anfang gibt es einen Jungen, den Hauptcharakter, der von einer ihm unbekannten Stimme von seinem Dorf in die Ruinen eines alten Turms geleitet wird. An dieser Stelle steuern wir ihn durch die dunklen Gänge Richtung eines mysteriösen Throns. Der Junge ist vollkommen verwirrt und je näher er an den Thron heranschreitet, desto lauter wird die Stimme… Die Stimme sagt dem Jungen, dass die Zeit für ihn noch nicht gekommen sei und löscht seine Erinnerungen an diesen Ort.

Viele Jahre später, nach langer Zeit als Ausgeschlossener seiner eigenen Dorfgemeinde, verlässt der Hauptcharakter die gewohnten Gegenden und dient dem König. Durch seine Verdienste im Kampf und an der Seite des Oberhaupts erlangt er große Anerkennung und treue Krieger an seiner Seite. Der König gibt dem Wunsch nach, sein altes Dorf aufzusuchen und das Mysterium des Turms zu lüften, welchen er immer in seinen Träumen sieht und diese ihm keine Ruhe geben.

Bald beginnt das Abenteuer innerhalb des unerforschten Turms

Das Spiel

Beim Eintreffen im Dorf bekommt man die Steuerung über zwei Kämpfer, die Champions und gestandene Krieger sind. Kane und Maeve sind die zwei Spielcharaktere, mit denen man jetzt die Aufgabe bekommt den Turm, der in die Tiefe der Erde ragt, zu erkunden. Als Erstes sucht man nach diesem mysteriösen Thron, den man in dem Vorspann des Spiels sieht.

Kane ist ein Nahkämpfer und benutzt somit Schwerter und schwere Rüstungen. Maeve bevorzugt Bögen und Armbrüste. Man muss vorab sagen, dass alle Champions, die man im Spielverlauf freischaltet, vorgefertigt sind und eigene Hintergrundgeschichten haben. Einer mag hier sagen, dass er gerne eigenhändig die Spielfiguren erstellt, ein anderer würde sagen, dass es er lieber auf gut vorgefertigte Figuren setzt. Meiner Meinung nach, da es sich auch hierbei stark um ein narratives Erlebnis handelt, wurde die Herangehensweise klug und passend gewählt. Wer an ältere Dungeon Crawler oder auch an Legend of Grimrock denkt, wird das Schema lieben. Wenn man Angst haben sollte, dass man sich mit den Charakteren nicht identifiziert, sollte man keine haben – man lernt sehr schnell die Charaktere zu mögen, da jeder von den insgesamt sieben Champions eigene Charakterzüge und Eigenschaften aufweist. Die Champions werden im Laufe der Geschichte nacheinander zur Auswahl hinzugefügt. Dabei kann man sich ziemlich bunte Parties mit bis zu vier Helden kreieren – also der Klassiker, wie es im Buche steht.

Der Hauptprotagonist steuert und beobachtet die Champions von seinem Thron aus

Sobald man den Thron erreicht, setzt sich der Hauptprotagonist und verspürt die Macht, alles zu fühlen, zu sehen und zu beeinflussen, was die Champions auf ihrer Reise tun. Wie es sich ergibt, hängt ziemlich viel von dem verborgenen Wissen und dem Unentdeckten innerhalb dieses alten Turms ab. Im Vergleich zu der Welt an der Oberfläche gibt es hier köstliches Wasser und Bäume mit exotischen Früchten – die Welt außerhalb zerfällt und verrottet. In der isometrischen Perspektive erkundet man weiter die Tiefen des Turms (Widerspruch in sich selbst 🙂 ). Die Kamera Einstellung könnte an solche Titel wie die Divinity– oder die Diablo-Reihe erinnern – jedoch an die älteren Teile, da man nur eine Perspektive hat und die Möglichkeit die Kamera zu drehen nicht besteht. Die Zoomfunktion ist aber integriert, um entweder sich näher ans Geschehen zu bringen, oder für die taktischere Übersicht während der Kämpfe größere Fläche abzubilden.

Kämpfe

Auf der Entdeckungsreise trifft man teils natürlich auf Gegner, die einem das Leben schwer machen wollen. Die Kampfsequenzen sind aber inaktiv, solange man nicht einen bestimmten Trigger auslöst: mir kommt da der Gedanke an den Klassiker Heroes of Might and Magic (jaaaa, mittlerweile, warum auch immer und unnötig von Ubisoft zu Might and Magic: Heroes umbenannt) und King‘s Bounty, wo die gegnerischen Horden ihre Zeit gemütlich an bestimmten Orten der Karte verbringen und nicht angreifen, solange man sich auf sicherer Distanz befindet. In Tower of Time ist es sehr ähnlich gestaltet. Die meisten Horden sieht man vorab, somit man eigentlich entscheiden darf, ob man auf diese Horden zurennt oder erst mal einen anderen Weg erkundet. Spoiler: Nein, man schafft nicht sofort alle Feinde beim ersten Anlauf von der ganzen Etage des Turms abzuräumen. Der Schwierigkeitsgrad steigt so, dass man nach der benutzerfreundlichen Einleitung so ziemlich überrascht wird. Die Kämpfe sind herausfordernd, bleiben aber im großen Ganzen fair. Die Ausnahme für den aktiven Überfall auf die Helden stellen zwei Trigger dar: an manchen Stellen der Geschichte endet das Dialog mit einer Kampfsituation, an manchen wird man aus dem Hinterhalt angegriffen (unsichtbar für den Spieler platziert).

Vor dem Antreten der Auseinandersetzung bekommt man einige wichtige Informationen zu den Gegnern

Während einer Kampfsequenz wird die Party des Spielers in eine getrennte Map teleportiert, die sich in Größen und Aussehen passend zu der Umgebung variiert – Grüße von Hand of Fate und Heroes of Might and Magic, aber aus der gleichen isometrischen Perspektive. Die Karten beinhalten mehrere Spawnpunkte für die finsteren Armeen, die sich wellenartig in Richtung der Champions begeben. Vor dem Blutvergießen werden die Einheiten, die man angreift oder durch welche man angegriffen wird, detailliert mit vielen Infos eingeblendet – an diesem Punkt besteht noch die Möglichkeit die eigene Party anzupassen, sich zurückzuziehen oder in die Auseinandersetzung zu stürzen. In der Hitze des Gefechts kommen die Champions sehr unterschiedlich aufgrund der eigenen Fähigkeiten und der Ausstattung zum Einsatz. Um den Überblick nicht zu verlieren, ist eine sehr nützliche, eine lebensrettende und die allerbeste Taste vorhanden – die Leertaste! Gewöhnt euch an diese wundervolle Taste, ihr werdet sie lieben und sehr oft (sehr oft!) einsetzen. Diese verlangsamt nämlich der Zeit und lässt euch die Helden aus dem Feld der Flächenattacken führen, eigene Strategien planen und die Fähigkeiten zum richtigen Zeit und Ort einzusetzen. Bei vier Champions und näher rückenden Horden der Gegner, zwischen magischen Explosionen und Pfeilhagel wäre es schwer denkbar, ohne diese Funktion zu überleben.

Die Verlangsamung der Zeit innerhalb der Kämpfe einzusetzen: nützlich und spaßig

Interessant anzumerken ist auch die Situation, wenn man aus einem Hinterhalt angegriffen wird. Einer der spielbaren Helden wird in ein Käfig gefangen genommen und kann an der Auseinandersetzung nicht vom Anfang an teilnehmen. Mit den verbleibenden Champions muss man gleichzeitig den Käfig kaputt schlagen, um den Gefangenen zu befreien und schauen, dass man die Feinde im Schach hält. Ein cooles aber auch sehr stressiges Novum auf dem Schlachtfeld.

Vor dem Kampf ist auch sehr schwer die Anzahl der Gegner abzuschätzen – es wird zwar in dem Fenster vorab ein Hinweis gegeben, schlüssig wird man aber nicht immer daraus. Meistens heißt es „Probieren geht über Studieren“. Da das Spiel aber unendlich Speicherpunkte zulässt oder die Möglichkeit den verlorenen Kampf erneut anzugehen, sollte es nicht frustrierend oder demotivierend sein. Ebenso die Tatsache, dass der Kampf als gewonnen zählt sobald alle Gegner vernichtet sind und mindestens einer der Champions überlebt hat. Auf die Regeneration der Gesundheits- und der Manaanzeige braucht man auch nur innerhalb der Kampfarena zu achten – nach den Auseinandersetzungen werden diese selbstständig aufgefüllt. Micromanagement mit roten und blauen Fläschchen ist hier schlichtweg nicht vorhanden.

Weitere Kampfarenen stellen eine Art Tower Offense dar: es gibt mehrere Spawnpunkte mit ablaufender Zeit. Sobald die Zeit abläuft, erscheinen neue Gegner. Man muss den Timer im Auge behalten und die Punkte in bestimmter Reihenfolge vernichten.

Der Punkt muss schnell zerstört werden – sobald der Timer abläuft, spawnen neue Gegner

Während der Bosskämpfe (es gibt viele und sie machen sehr viel Spaß) ist es wichtig sich nur auf diesen zu konzentrieren. Anstelle der Prozentanzeige für die Anzahl der Gegner am oberen Rand des Bildschirms ist es in diesem Fall dann die Gesundheitsanzeige des Bossgegners. Sobald diese 0 erreicht, ist die Batallie gewonnen – die restlichen Mobs sterben dann automatisch.

Ausrüstung, Fähigkeiten und das Skillsystem

Jeder der Helden ist auf eine oder andere Weise spezialisiert. Kane ist ein Tankcharakter. Er trägt sehr schwere Rüstungen, Klingen (egal ob ein- oder zweihändig) und Schilde. Seine aktive Fähigkeiten verraten uns auch genau diese Richtung: schneller Dash in die Richtung der Gegner, eine massive Steinwand in den Weg der Gegner stellen, Selbstheilung und später noch die Aufmerksamkeit der Gegner auf sich ziehen.

Bei Maeve ist alles auf eine Art Assassine und Fernkämpfer ausgerichtet, ob die Feuerpfeile oder Fallen aufstellen und sich aus der Gefahr wegteleportieren und eine Rauchwolke hinterlassen. Aeric hingegen ist ein elbischer Druid – er kann einen Helfer beschwören und die Gruppe mit einem Totem heilen.

Ein neuer Held tritt uns bei. Die Stadt erinnert an die alten Heroes of Might and Magic Teile

Die besagten Fähigkeiten lassen sich durch Training in der Kaserne oder dem magischen Turm in der Stadt ausbauen. Das Training kostet mit jeder Aufstufung Gold. Mit jeder Aufstufung bekommt man auch die Fähigkeits- und Attributpunkte, die man beliebig verteilen darf. Um die Trainingseinheiten für die Champions überhaupt freizuschalten (Levelcap erhöhen), werden spezielle Rollen benötigt – für die Kaserne und den Magierturm jeweils unterschiedliche.

Jeder Skill hat pro Schlüsselpunkt eine Abzweigung, die man auswählen kann. Hiermit werden die Eigenschaften des Zaubers in die eine oder andere Richtung entwickelt. Als Beispiel kann man entweder die Abzweigung für weniger Manapunkte oder stärkere Wirkung wählen. Man kann das Leveln der Skills als eine Art Hauptweg mit Schlüsselpunkten und pro Schlüsselpunkt mit zwei Abzweigungen sehen.

Die aktiven Fähigkeiten der Champions werden hier immer geskillt

Jeder der Helden hat zu Beginn eine Basisausrüstung – weitere, stärkere Gegenstände findet man entweder in Truhen, nach den Kämpfen mit den Gegnern, bei Erledigung der Quests oder Rätsel und in der städtischen Schmiede. Um die Gegenstände zu schmieden, werden Kristalle benötigt. Diese Kristalle sind in drei Farben unterteilt: grün, blau und violett. In dieser Reihenfolge spiegeln die Farben auch die Kategorie und die Stärke der im Spiel vorhandenen Gegenstände. Die einzigartigen Gegenstände der violetten Farbe lassen sich auch mit diversen Verzauberungen bestücken. Die Verzauberungen, wie andere Rollen (gute und böse) findet man in der Welt von Tower of Time verteilt. Sehr rar trifft man auf legendäre Ausrüstung, die aber sich gar nicht höherstufen lässt.

Wichtig ist, dass es elementaren Schaden gibt – jeder der anzutreffenden Gegner beugt sich der einen oder der anderen Naturkraft. Manche besitzen auch höheren Widerstand gegenüber bestimmter Elemente. Waffen können speziell auf bestimmte Wirkung ausgelegt sein und bei manchen Widersachern viel weniger Schaden bringen.

Stadt

Zu jeder Zeit besteht die Möglichkeit aus dem Tower in die Stadt zu teleportieren. Der Teleporter bringt die Helden nach dem Besuch automatisch direkt zu der letzten Stelle im Turm.

Weitere Schmieden findet man auf dem Weg während den Abenteuern im Turm. Diese Schmieden sind nur einmalig einsetzbar und upgraden einen beliebigen Gegenstand aus dem Inventar.

Diese Schmiede kann einen Gegenstand einmalig verbessern – danach ist sie stillgelegt

Alle Champions besitzen das gleiche Inventar und die Gegenstände, die man den jeweiligen Klassen nicht anziehen kann, sind rot markiert. Es gibt auch gemeinsam nutzbare Gegenstände, zum Beispiel Amulette und Ringe, diese können gleichermaßen jedem Helden angezogen werden und bringen jeweils unterschiedliche Stats-Verbesserungen mit.

Innerhalb der Schmiede kann man die Gegenstände mit Hilfe der Kristalle herstellen, unterteilt in 3 Tiers: grün, blau und violett. Die grünen geben ganz einfache Rüstungsgegenstände, mit violetten ergeben sich die besten Stücke. Später lassen sich da auch in die violetten Gegenstände zusätzlich einmalig mit gefundenen Schriftrollen verzaubern. Jede Schriftrolle kann unterschiedliche positive Aspekte mit sich bringen. Für Kristalle lassen sich die einzelnen Stats der Waffen und Rüstungen aufbessern. Das kann man auch begrenzt tun – der Indikator, wie stark sich ein Gegenstand aufbessern lässt, sind die grauen Kästchen in dem Vorschaufenster.

Dieser unikale Gegenstand lässt sich verzaubern. Die Verzauberung regeneriert uns Leben in der Kampfarena

Große Entscheidungen

An manchen Stellen des Turms gibt es entscheidende Momente für die Champions und den Spieler. Es arten Diskussionen und Streitereien unter den Helden aus, die sich wegen bestimmter Situationen in diverse Meinungsäußerungen begeben. Genau in solchen Momenten hat der Spieler dank der Kräfte des Kristallthrons einen Einfluß auf die Situation. Meistens sieht es so aus, dass man entweder die eine oder andere Entscheidung unterstützt und telepathisch die Fäden zieht oder dann die Champions selbstständig die Situation regeln lässt. Jede Wahl bringt Auswirkungen auf die Quests, die Helden und ihre Moral. Wenn der Champion seine Entscheidung durchsetzt, bekommt er einen Punkt in der Alignment Tabelle – die Werte können von minus bis plus 10 reichen. Mit der positiven Anordnung auf dieser Tafel gibt es positive Boni Stats, wie Angriff oder Manaregeneration. Mit der Ausrichtung in die Negative – negative Auswirkungen. Diese Tabelle wird als Zusammenhalt der Party beschrieben. Die Entscheidung wirkt sich auch auf den Ausgang bestimmter Quests und die Gegenstände, die man letztendlich bekommen kann.

Die kritischen Entscheidungen bringen entweder negative oder positive Auswirkung

Restliche Komponenten

Die komplette Geschichte und die Dialoge sind in reiner Textform umgesetzt. Es gibt sehr viel zu lesen, daher ist es derzeit noch wichtig die englische Sprache gut zu beherrschen. Derzeit arbeitet der Entwickler noch an der deutschen Lokalisierung, wer sich aber das Spiel holen will, sollte vorgewarnt sein. Die Videosequenzen bestehen aus gezeichneten, nicht animierten Bildern und sind hervorragend vertont. Die Art der Sequenzen kann man gut mit den Intro aus ELEX oder The Witcher 3 vergleichen. Leider gab es im Vergleich zu dem Spiel sehr große Lautstärkendifferenz und man musste den Sound viel mehr während der Videos aufdrehen. Es ist keine große Sache und wird hoffentlich später gepatcht. In ein-zwei Fällen hat auch leider die Quick Save Taste nicht funktionieren wollen. Hier und da gibt es auch noch kleinere Bugs, die jedoch nie störend oder schlimm waren. Meistens ist es durch neu laden des Spiels behoben.

Neben dem tollen Gameplay wird man mit einem großartigen, atmosphärischen Soundtrack vergnügt. Es bleibt stetig passend, jedoch nie aufdringlich.

Mit den 11 Tower Levels kommt man insgesamt auf eine Spielzeit von mindestens 40 Stunden.

Für einen besseren Eindruck zum Tower of Time schaut euch das Video, was wir mit Jan in der Rubrik „Angespielt“ aufgenommen haben, bei uns auf dem YouTube Channel an: