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Filmkritik – JoJo Rabbit

Hass ist Doof

Jan Markus Mäuer · 25. Januar 2020

Satire über Nazis existiert fast so lange wie das nationalsozialistische Regime des Dritten Reichs. Von Chaplin’s “Der große Dikator” über Brooks’ “The Producers” bis hin zu Walter Moers’ “Adolf” bot die dunkelste Stunde in der deutschen Geschichte viel Platz um sich über dessen Verursacher, allen voran Hitler, lustig zu machen.
Und angesichts dessen wie Faschismus, Ultranationalismus, Fremdenhass und Imperialismus nicht mit dem zweiten Weltkrieg für immer endeten und dieser Tage leider eher ein imposantes Revival feiert, ist und bleibt es wichtig, Nazis nicht nur kritisch zu sehen, sondern auch ihre miese Ideologie zu verhöhnen.

In diesem Sinne ist “JoJo Rabbit” von Taika Waititi (“5 Zimmer Küche Sarg”, “Thor Ragnarok”, “The Hunt for the Wilderpeople”) nichts Neues. Selbst Waititis Auftritt als Ulk-Hitler kommt auch nicht gewagter daher als Christoph Maria-Herbst semi-anonymisierter Gastauftritt in den “WiXXer” Filmen (erinnert sich noch wer an die?). Was “JoJo” jedoch unterscheidet ist, dass es weniger schwarzhumorige Satire und mehr herzerwärmende Komödie ist … mit einem Nazi Jungen als Protagonisten. Und das ist dann wiederum ein Drahtseilakt.

Aber von vorn: Richtung Ende des zweiten Weltkriegs ist Johannes “JoJo” Betzler (Roman Griffin Davis) ein 10 Jahre alter Junge und begeistertes Mitglied der Hitler Jugend. Er ist so fanatisch, dass er Adolf Hitler (Taika Waititi) selbst als imaginären Freund hat (der wie von einem zehnjährigen zu erwarten mehr agiert er mehr als eine Mischung zwischen großem Bruder, Spielgefährten und Lebenscoach agiert anstelle eines großen Diktators) und träumt davon eines Tages eine Leibwache des realen Führers zu werden. Doch nachdem er sich in einem HJ-Zeltlager mit einer Handgranate selber in die Luft jagt und sich Narben im Gesicht und ein verkrüppeltes Bein zuzieht, muss er fortan die meiste Zeit zu Hause bei seiner überaus progressiven und regimekritischen Mutter Rosie verbringen.
Kurzerhand entdeckt er darauf, dass seine Mutter einen Gast im Haus versteckt, das jüdische Teenager Mädchen Elsa (Thomasin McKenzie). Aber da er sie nicht den Nazis ausliefern kann, ohne dabei gleichzeitig seine Mutter zum Tode zu verurteilen, befindet er sich in einer unangenehmen Pattsituation, die er dulden muss. Und mit der Zeit entwickelt JoJo Gefühle für Elsa…

Es klingt wie ernsterer Stoff als es ist, was daran liegt das “JoJo Rabbit” eine sehr lose Adaption vom Buch “Caging Skies” ist, das den selben Plot verfolgt aber weitaus dramatischer und ohne lustige Elemente und imaginäre Hitler daher kommt und darüber hinaus einen sehr viel kritischeren und harscheren Blick auf die forcierte Beziehung zwischen Johannes und Elsa hat.
Diese Quasi-Verfilmung entschärft die Geschichte extremst, woraus einige Probleme folgen.

Kontextfrei betrachtet ist es kein großes Problem. In dem Fall ist “JoJo” eine leichte, nicht allzu tiefgründige Komödie mit ein paar absolut verdienten Lachern und generell symphatischen Darstellern bzw Charakteren, gepaart mit einem lockeren anachronistischen aber lustig eingedeutschten Soundtrack.

Und offensichtlich ist es nicht so als würde der lockere Ton die grauenvollen Taten der Nazis verteidigen oder propagieren.
Jedoch, wenn Leute den Film dafür kritisieren, Nazis zu verharmlosen, dann kann ich das nicht so wirklich abstreiten.

Das Problem ist für eine Satire ist der Film wenig…nun, satirisch.

Es fängt vielversprechend an, mit einem Vorspann der Archivaufnahmen von Hitler und seinen Tausenden bewundernden (jungen) Fans in ein zynisch beißendes “Beatlemania” Musikvideo verwandelt, stilecht untermalt von einer deutschen Version des Beatles Songs “I Want To Hold Your Hand”. Dem folgen die Szenen im erwähnten HJ Zeltlager, eine bizarre Version eines Pfadfinder-Sommerlagers (Immerhin war die Hitlerjugend so ziemlich das selbe) mit bitterbösen propagandistischen und gewalttätigen Untertönen.
Danach jedoch findet der Film seinen eigentlichen Plot und kommt vergleichsweise zahnlos daher, kann aber aber auch nicht mit mehr als sehr oberflächlichen Botschaften kompensieren. JoJos wachsende Zweifel an der Ideologie die er so treu ist ziehen sich unerträglich träge daher (und scheinen ausschließlich davon motiviert zu sein das er in das Mädchen verknallt ist, was in seinen Wänden wohnt), und seine Mutter sowie auch seine neue Mitbewohnerin entgegnen seinem antisemitischen Nazi-Quatsch-Gelaber mit schier engelsgleicher Geduld, während er sich erst wirklich von seinem Fanatismus trennt als es eindeutig ist das dieser ihm absolut nichts mehr zu geben hat.

Es gibt einige wenige Szenen die das in den Hintergrund gerutschte Böse, das den Protagonisten umgibt, zuschlägt und das nicht ineffektiv. Aber da sich der Film nie sehr lange von seinem munter beschwingten Ton trennen kann, sind diese Szenen mehr emotionale Böller als Bomben.

Potenzial wäre da. Ab und zu schafft es “JoJo Rabbit”, Gags mit etwas bissigerem schwarzen Humor unterzubringen. Die Nazis werden repräsentiert von eigenartigen und inkompetenten Erwachsenen, allen voran Captain Klenzendorf, gespielt vom immer verlässlichen Sam Rockwell, der viel aus seiner Nebenrolle als in Grund-und-Boden degradierter Krieger herausholt. Auch wenn zumeist die höchste Nazi-Autorität im Film entgegnet er der radikalen Ideologie mit Sarkasmus, während er auf kindisch naive Weise davon träumt doch noch Kriegsheld zu werden. Genauso bietet JoJos Mutter Rosie, gespielt von Scarlett Johannson (die für diese Rolle für den Oscar nominiert wurde) den bei weitem komplexesten Charakter mit eigenen Stärken und Schwächen, die interessantes Potenzial für Geschichten bieten. (Ebenfalls toll ist Stephen Merchant als sinister bürokratischer Gestapo-Mann, aber sein kurzer Auftritt ist auch nicht mehr als eine Karikatur)
Selbst der prominenteste Aspekt des Films, Taika Waititi’s Fantasie-Hitler, kann nicht ganz die Erwartungen erfüllen. Er verspricht ein interessantes Vehikel für den inneren Konflikt des Protagonisten zu sein, während er mit seinem eingeimpften Glauben kämpft. Doch er bietet nicht sehr viel mehr als hin und wieder ein paar (gute) Witze und Albernheiten und ist in Momenten der Charakterentwicklung weitestgehend abwesend und im letzten Drittel des Films beinahe vergessen.

Waititi’s Film hat keine bösen Intentionen und ist eine verdauliche unterhaltsame Komödie die an und für sich gut wenn auch wenig erinnerungswürdig ist. Doch der gewagten Thematik wird es nicht gerecht und das hinterlässt einen intensiv bitteren Beigeschmack der mit seiner “Anti Hass” Message auf Seiten derer die den Hass verbreiten gefühlt zu versöhnlich daher kommt.
“JoJo Rabbit” hätte die Chance gehabt im aktuellen Zeitgeist wichtig zu sein. Doch im Endeffekt versucht es der Film garnicht erst.