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Filmkritik – Ready or Not

Ein Spiel-Film für die 99%

Jan Markus Mäuer · 26. September 2019

Ich mag viele dumme Filme. Ich mag viele intelligente Filme. Doch die Art von Film die ich wirklich liebe sind CLEVERE Filme. Filme die keine Ansprüche stellen, um gut unterhalten zu werden, aber gleichzeitig ein Arsenal an Subtext bieten, über das man länger als die 1-3 Stunden Filmlänge sinnieren kann.
Ready or Not ist CLEVER. Weniger hätte gereicht, um einfach als Horror-Komödie Spaß zu machen und kurzweilig zu sein. Aber das Filmemacher Team von “Radio Silence”, bekannt für Horror-Kurzfilme, wie sie unter anderem in Anthologien wie “V/H/S” und “Southbound” zu sehen waren, gehen noch einen Schritt weiter und geben dem recht wortwörtlichen “Katz- und Maus Spiel” eine gehörige Portion…naja, Cleverness.

Protagonistin im Film ist Grace (Samara Weaving), verliebt, verlobt und kurz davor verheiratet zu sein mit Daniel, einer der Söhne der unglaublich reichen Le Dormas Familie, die ihren Reichtum seit Generationen dem von ihren Vorfahren aufgebauten Gesellschaftsspiel Imperium (“Herrschaft” wird bevorzugt) zu verdanken haben, sagen sie zumindest.
Wenngleich Daniel nicht sehr angetan ist von seiner wohlhabenden Familie, beugt er sich den seltsamen “Traditionen” seiner Familie und so muss Grace als Neuankömmling nach der Hochzeit auch an einer dieser teilhaben, um offiziell in die Familie aufgenommen zu werden.
So muss Grace um Mitternacht ein zufällig gewähltes Spiel gegen die Familie spielen. Zumeist ein harmloses Unterfangen, doch Grace zieht mit “Hide and Seek” (Verstecken) die eine Ausnahme. Während Sie ein albernes Kinderspiel vermutet, sieht sich die Le Dormas Familie nun gezwungen, die Angeheiratete vor Sonnenaufgang mit allen Mitteln zu finden und zu töten. Da Daniel jedoch verständlicherweise nicht gewillt ist, da mitzuspielen, erfährt Grace rechtzeitig von der Ernsthaftigkeit des Spiels und ist nicht gewillt, dieses zu verlieren.

Wie zu erwarten ist der Rest des Films eine atemlose Hetzjagd der Familiendynastie auf ihre neue Schwiegertochter und auch wenn nie wirklich “gruselig”, bietet Ready Or Not einige sehr spannende Momente. Allen voran ist der Film jedoch auf eine schwarzhumorige Art sehr witzig. Es gibt eine Menge blutig-morbiden Slapstick und da der Le Dormas Clan nicht unbedingt regelmäßig auf Menschenjagd geht ergeben sich entsprechend urkomische Situationen, sobald diese zu den Jagdgewehr und Armbrust greifen. Und auch bei Grace erwacht aus Schock und Terror schnell ein Kampfgeist, der ihre mehr-oder-minder panischen Fluchtversuche mit sardonischen Humor und stinkwütender Frustration unterstreicht.
Einer der wenigen Kritikpunkte, die ich dem Film unterstellen würde, ist das wann immer es Grace wortwörtlich ans eigene Fleisch geht, “Ready or Not” den sonst slapstickhaften Splatter auf eine schmerzhaftere und voyeuristischere Weise zeigt. Aber zumindest ein paar der Szenen können das ganze mit gekonnten Schlusspointen wieder in die richtige Richtung steuern.

So weit, so gut, blutige schwarze Horrorkomödie, nicht unähnlich dem super-unterhaltsamen “You’re Next”.
Aber da kommen wir dann zu der Weise, wie sich der Plot seine löbliche Cleverness verdient. Während es gut genug wäre zu sagen “Reiche Leute sind seltsam und bösartig”, nimmt sich Ready or Not Zeit mit seinem kleinen Ensemble an Charakteren um diesen dreidimensionale Fülle zu geben und sich tiefergehend mit dem Spalt zwischen privilegiertem Reichtum und, mangels einer besseren Bezeichnung, “Normalität” zu befassen.
Die Le Dormas sind keine blutrünstigen Triebtäter und nicht begeistert davon, dieses blutige “Ritual” durchziehen zu müssen. Stattdessen ist die Normalität, mit der sie die Situation betrachten das wirklich Grausige. Das ist das, was sie verbindet, doch hat jeder in der Familie eigene Ausreden und Rechtfertigungen, die Sache durchzuziehen. Insgesamt jedoch verstärkt die bizarre Situation nur das, was auch ohne diese Umstände klar wäre: Grace ist ein Normalo, der in dieser Form wirklich willkommen war. In diesem Umfeld ist sie geradezu kreischend gewöhnlich (was keine Kritik an ihrem Charakter oder Samara Weaving ist, der man hier zum zweiten Mal nach “Mayhem” gerne dabei zuschaut, sich der Oberklasse zu entledigen), und ihre anfänglich ungezwungene Art und ihre aus ganz persönlichen Gründen Offenheit gegenüber der Kuriosität der neuen Familie wirkt in dieser verqueren Welt wie eine Bedrohung, die schlussendlich mehr als Assimilation verlangt.
Die Reichen (in Form der Le Dormas) sind nicht gewillt, auch nur das kleinste etwas von dem bisschen zu geben, was der Rest der Welt (in Form von Grace) von ihnen verlangt. Und motzen dann auch noch rum, wenns nicht ganz so läuft wie erwartet.
Und darum sind Milliardäre scheisse 😉 .

Aber da dies nur ein Film ist, bekommen wir zum Ende hin ein bisschen Genugtuung und mit “Ready or Not” den vielleicht unterhaltsamsten Streifen des Jahres.