Kennst du Antichamber?
In unserer Reihe wollen wir euch Spiele vorstellen, die ihr unserer Meinung nach unbedingt spielen müsst. Freut euch in den kommenden Wochen auf Titel wie Antichamber, einem Puzzlespiel der etwas anderen Art.
Eines vorweg: Ich bin kein großer Fan von Puzzlespielen, da sie mitunter sehr schleppend verlaufen und sich häufig gegen Ende wiederholen oder unglaublich schwer werden. Weiterhin sehe ich Storytelling als eines der wichtigsten Kriterien für ein gutes Videospiel an. Weshalb konnte mich das von Alexander Bruce entwickelte Antichamber dennoch so begeistern?
Expect the unexpected – so könnte man Antichamber wohl am besten beschreiben. Alles, was man über Videospiele zu wissen gedenkt, jede Konvention, die existiert, wird in diesem Spiel auf den Kopf gestellt. Und genau das macht einen Großteil des Charmes dieses Meisterwerks aus. Es beginnt bereits mit der Suche nach einem Menü für die Grafikeinstellungen. Egal, welche Taste man drückt, es will sich einfach nicht öffnen. Doch nach schnellem Umsehen wird einem klar: Man steht bereits im Menü. ZombiU wurde dafür gelobt, dass das Spiel weiterläuft, während man das Inventar bedient. Doch nur zwei Monate später ging Antichamber noch weiter und integrierte das Menü direkt in das Spiel hinein. Und das ist erst die Spitze des Eisbergs.
Wenn ich von A nach B laufe und den selben Weg zurück gehe, komme ich wieder an meinem Startpunkt an, oder? Von wegen! Hier landet man plötzlich in einem ganz anderen Raum. Antichamber führt einem vor, wie sehr wir uns an gewisse Denkmuster gewöhnt haben und wie sehr diese uns einengen. Falls ein Weg – obwohl er nur gerade aus verläuft – wieder an den Startpunkt führt, was macht man dann? Natürlich umdrehen und den Weg zurück laufen. Doch das, was wir nur einige Minuten zuvor gelernt haben, lässt sich plötzlich nicht mehr anwenden, man läuft noch immer im Kreis. Nach einigem Überlegen wird einem die Lösung dann noch klar: Rückwärts gehen.
Doch das Konstrukt aus unmöglichen Räumen, plötzlich auftauchenden Brücken und Wänden, welche nur so tun, als wären sie welche, wird relativ schnell durch eine Blöcke-verschießende Kanone erweitert. Ganz im Stil von Portal konzentriert sich das Gameplay immer mehr auf diese Kanone, welche zunächst nur einzelne Blöcke, später jedoch ganze Flächen erzeugen kann. Unüberwindbare Abgründe, Wege in abnormer Höhe und Türen, welche nur durch das einsetzen von Blöcken geöffnet werden können, sind von nun ebenfalls kein Problem mehr. Doch selbst hier verlässt das Spiel seinen zuvor begangenen Weg nicht und überrascht öfters durch angenehm unkonventionelle Lösungen.
Eine Story sucht man in Antichamber jedoch vergebens. Lediglich kleine Bilder am Ende eines jeden Rätsels mit einem passenden Spruch, welcher sich oftmals auch auf das eigene Leben beziehen lässt, sind neben den versteckten Räumen, welche liebevoll gestaltet den Entwicklungsprozess aufzeigen, das Einzige in der Spielwelt, was nicht in mehr oder weniger direktem Zusammenhang mit der Lösung der Rätsel zusammenhängt. Man erwartet nicht halb ängslich einen nervenaufreibenden Bosskampf gegen seinen Erzfeind, man muss nicht jede noch so kleine Ecke durchsuchen, um alle Tagebucheinträge einzusammeln, man muss nicht… Es gilt ein einfacher Grundsatz: Der Weg ist das Ziel, und alles Zusätzliche würde dem nur – nun ja… im Weg stehen.
Diese Philosophie der Schlichtheit spiegelt sich auch in der grafischen Darstellung wider. Obwohl die Unreal Engine 3 sehr viel zu bieten hat, setzt Antichamber bewusst auf harte Kanten, weiße Flächen und einfache Farbverläufe. Doch genau dieser Grafikstil passt besser als jede andere es je könnte. Selbst hier zeigt Alexander Bruce auf, wie sehr wir uns gewisse Denkmuster angeeignet haben. Hochauflösende Texturen und NVIDIA Hairworks-Unterstützung bedeuten nicht automatisch, dass ein Spiel gut ist. Und schön ist Antichamber in seiner Schlichtheit allemal.
Zuletzt trumpft das Spiel noch mit der klanglichen Untermalung auf: Beispielsweise kann man prasselnden Regen oder das Rauschen des Meeres bewundern. In der schlichten, künstlich steril wirkenden Spielumgebung wird so zusammen mit dem auf sämtliche Konventionen pfeifenden Gameplay ein skurriles Gesamtpaket erschaffen, welches einem mehr als einmal ein Lächeln auf die Lippen zaubert.
Ein Manko hat Antichamber jedoch: Nach der relativ kurzen Spielzeit von wenigen Stunden ist das Game auch schon zu Ende – und jeglicher Wiederspielwert geht gegen null. Zwar kann man noch immer über all die schlichte Schönheit staunen. Jedoch bleiben einem die Lösungen gerade der raffinierten und besonders unkonventionellen Rätsel auch nach drei Jahren noch im Kopf – und der Aha-Effekt beim Lösen ebenjener, der einen Großteil des Reizes und Spaßes an Antichamber ausmacht, bleibt aus. Nichtdestotrotz wird es mir noch lange positiv in Erinnerung bleiben und ich kann jedem nur empfehlen, es zu spielen.