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Monster Hunter oder: Das beste Spiel, das Du nicht kennst

Im Juli 2016 erschien im Westen Monster Hunter Generations, der neueste Teil der Reihe, die sich in Japan besser verkauft als Bier auf dem Oktoberfest. Auch hierzulande hat Capcom mittlerweile mit der Jagd auf Steroiden ein wenig Fuß fassen können.

Dawid Gryndzieluk · 4. Februar 2017

2004 erschien das erste Monster Hunter in Japan, ein Jahr später kam es auch in Europa an. Dies sollte der Grundstein einer Serie werden, die bis heute so vieles anderes macht als die Konkurrenz und ironischerweise genau deshalb ihre Nachahmer findet (zu denen später mehr). Die Grundidee ist denkbar einfach: Der Spieler übernimmt die Rolle eines Jägers in einer Welt, in der die Menschen gemeinsam mit anderen Spezies wie den Wyverians und Felynes (Ja, Katzen!) ums Überleben kämpfen; die Siedlungen sind verstreut, die Infrastruktur eher simpel und die Gefahren der Umwelt groß wie Häuser. Was zunächst wie die übliche Fantasy-Welt erscheint, entfaltet sich in den kommenden Stunden zu einer ganz eigenen Sache, in der Magie nicht existiert und an deren Stelle an Science-Fiction erinnernde Naturwissenschaft tritt, die erklärt, wieso Gore Magala mithilfe von Virensporen sehen kann oder wie Zinogre Insekten um sich herum sammelt, die die Luft mit elektrischer Spannung anreichern (selbstverständlich mit der Absicht, dem Spieler seine geladene Pranke ins Gesicht zu schleudern). Doch nicht nur die Monster haben wundersame Fähigkeiten, auch die Jäger scheinen mit übermenschlicher Stärke gesegnet zu sein, denn die Waffen erinnern an den Anime-Stil und verfügen über heroische Proportionen; dennoch spürt man ihr Gewicht im Kauf laufend und schnelle Hiebe mit einem Hammer von der Größe eines Schreibtisches sucht man vergeblich.

Und da wären wir auch bereits im maßgeblichen Feature der Reihe angekommen: Die Kampfabläufe, die Animationen und Interaktionen sind meisterlich in ihrem Design. Je nach Waffentyp ist der Spieler mehr oder weniger agil und muss, um saubere Treffer zu landen, mit Voraussicht die Bewegungen und Angriffe des Monsters einschätzen. Besonders langsame Waffen wie das Großschwert (Greatsword) brauchen mehrere Sekunden zum Ausholen und der Charakter ächzt unter dem Gewicht seiner Waffe. Aber wenn der Treffer sitzt, dann ist das ein befriedigendes Gefühl, denn die Animationen vermitteln einen soliden Eindruck von der Tragweite der eigenen Aktionen. Nach und nach traktieren die Jäger das Ungetüm und sind in der Lage, einzelne Strukturen wie Panzerungen zu zerschmettern oder Schwänze abzuschlagen, die für zusätzliche Beute sorgen.

Und für Beute tun diese verfluchten Jäger alles! Wer sich auf Monster Hunter einlässt, lässt sich auch auf den Grind ein, denn ein volles Rüstungsset erfordert, dass man das dazugehörige Viech gefühlt mindestens fünf Mal erlegt, doch der realistische Wert liegt vermutlich weit höher. Anders als bei Grind in MMORPGs klickt man aber nicht gelangweilt eine halbe Stunde lang auf Wildschweine, sondern ist permanent voll konzentriert, denn selbst die anfänglichen Monster im Low-Level brauchen nur wenige Treffer, um den Spieler mit einem blauen Auge und einigen gebrochenen Knochen zu verabschieden. Routine kommt nicht auf, jeder Kampf ist anders. Charaktere sammeln keine Erfahrungspunkte in Monster Hunter; der Spieler sammelt stattdessen Erfahrung, sowohl mit seiner Waffe (und ihrem Moveset) als auch mit dem Ungeheuer, das er bekämpft. Das mag nichts Greifbares sein und klingt zunächst unbefriedigend, doch ein Tänzchen mit den agilsten und schnellsten Raubtieren des Spiels unbeschadet zu überstehen lässt einen zufriedener zurück als man das aus dem gängigen Modell mit Charakterstufen kennt. Und es führt zu Momenten, die in Erinnerung bleiben, wie etwa einem anfliegenden Rathalos mit bereits erwähntem Hammer einen Golfschwung vor den Kopf zu verpassen, der ihn zu Boden holt, während man selbst nur noch ein kleines Scheibchen Lebenspunkte hatte.

Für eine farbenfrohe und abwechslungsreiche Palette an Ausrüstung ist gesorgt: Nahezu jedes tote Monster lässt sich zu schützender Panzerung oder einer Waffe umbauen; die Auswahl erschlägt einen geradezu. Hinzu kommt, dass jedes Rüstungsteil Skillpunkte mitbringt, die sich mehr oder weniger beliebig kombinieren lassen, um einen eigenen Stil auszuprägen. Obendrein liefert der aktuelle Teil Monster Hunter Generations verschiedene Jagdstile, die das Moveset der Waffe dramatisch verändern. Wenn ein Spieler es wünscht, sich in die Felle einer Echse zu hüllen und eine Axt, die zu einem Schwert mit Explosivschaden morphen kann, führen möchte, während er seine Kameraden mit Kräutern heilt… bitteschön! Schwere Artillerie aus einer überdimensionierten Schrotflinte und dabei von Monstern abspringen wie schwerelos? Klar. Hummer-Outfit und Feuerschwert? Wieso nicht? Ähnlich wie in Dark Souls (a.k.a. Fashion Souls) hat sich ein eingeschworener Spielerkreis längst darauf fokussiert, Sets zu bauen, die entweder ästhetisch oder witzig aussehen, während ihre Kombination dennoch spielerisch brauchbar bleibt, die sogenannten Fashion Hunters. Die Community ist generell sehr hilfsbereit und meiner Erfahrung nach großartig, auch was ihren Humor angeht.

Trotzdem scheiden sich die Geister, ob Monster Hunter im Multiplayer genossen werden sollte; die einen sagen, dass es Spaß mache und das sei der Sinn eines Spiels, die anderen behaupten, dass es in der Gruppe zu einfach sei und die Herausforderung verloren ginge. Gut, dass man sich nicht entscheiden muss und einfach beides gemischt angehen kann.

Längst hat Monster Hunter andere Spiele inspiriert, sowohl in seiner Missionsstruktur als auch in seiner Designphilosophie: Während etwa Toukiden oder Soul Sacrifice die bekannte Formel aufgreifen und etwas Eigenes daraus machen, folgt beispielsweise das hochgelobte Dark Souls einem ähnlichen Gedanken in seinem Kampfsystem, obgleich es doch sonst fast alles andere gänzlich unterschiedlich angeht; doch was bleibt ist, dass ein Angriff des Spielers immer eine bewusste Entscheidung sein sollte, da die Deckung für eine Zeitlang offen bleibt, sodass Buttonmashing unterbunden und höchste Konzentration erzwungen wird. Im PC-Sektor bleibt das kürzlich erst angekündigte Dauntless die Hoffnung für all die, die die Jagd bei 240p auf einem handflächengroßen Bildschirm leid sind.

Monster Hunter ist eine Reihe, die mir persönlich unfassbar viel Freude bereitet (bin seit 2009 dabei; Monster Hunter Freedom Unite) und bei der ich mitleide, wenn die westliche Lokalisierung wieder fast ein Jahr braucht, während man es in Japan bereits längst gemeistert hat. Das ist nicht so wahnsinnig schlimm, da die mögliche Spielzeit weitestgehend unbegrenzt ist und man laufend Neues lernt; so habe ich kürzlich erst erfahren, dass Nargacuga umfällt, wenn man ihm im richtigen Moment eine Schallbombe an den Kopf wirft. Schade ist das dennoch.

Ärgerlich hingegen, dass die Tutorials durch Capcoms Bemühungen zwar besser, aber immer noch für den Kompletteinsteiger unzureichend sind, sodass ein Anfang mit Material aus der Community klar zu empfehlen ist. Auch ist die Technik durch die Beheimatung auf dem Nintendo 3DS mittlerweile nicht mehr ganz zeitgemäß; Monster Hunter 3 Ultimate auf der Wii U bewies, dass die Jagd auf dem großen Bildschirm toll aussieht und ihre Vorteile hat, sich aber nicht so gut verkauft. Daher bleibt es spannend, ob Monster Hunter 5 für die Nintendo Switch erscheint oder ob Capcom den Wechsel (Höhö, verstehste?) zurück zu Sonys Systemen wagt, nachdem sie doch angekündigt haben, dass sie die Reihe im Westen beliebter machen wollen, aber Handhelds hier schlichtweg nicht die Dichte haben wie in Japan. Diese Info ist noch weit entfernt, aber bis dahin ist mit einem Monster Hunter Generations Ultimate (Lokalisierung des japanischen Monster Hunter XX) zu rechnen, womöglich noch 2017.