Kennst Du S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chernobyl?

Ab und zu passiert es, dass ein Titel viele Spieler so ins Herz trifft, dass der sentimentale Wert seiner Spielwelt gepaart mit seinem Gamedesign ihn zu einem Meisterwerk macht. S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chernobyl (2007) ist exakt ein solches Spiel, denn wer schon mal in Osteuropa unterwegs gewesen ist, dem wird die desolate und dennoch idyllische […]

Dawid Gryndzieluk · 4. Februar 2016

Ab und zu passiert es, dass ein Titel viele Spieler so ins Herz trifft, dass der sentimentale Wert seiner Spielwelt gepaart mit seinem Gamedesign ihn zu einem Meisterwerk macht. S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chernobyl (2007) ist exakt ein solches Spiel, denn wer schon mal in Osteuropa unterwegs gewesen ist, dem wird die desolate und dennoch idyllische Stimmung sofort wieder bekannt vorkommen. Ich für meinen Teil kann mich erinnern, eine ganze Weile die Fenstergitter betrachtet zu haben, die die Form einer Sonne und Strahlen haben und es war dieses Detail, das diese Welt äußerst glaubwürdig machte.

Dabei handelt es sich bei S.T.A.L.K.E.R., das übrigens für „Scavenger, Trespasser, Adventurer, Loner, Killer, Explorer, Robber“ steht, um eine Shooter-Reihe, in der die Kugeln häufig fliegen. Sie basiert lose auf dem Roman Picknick am Wegesrand (1971) der Strugackij-Brüder, in dem Außerirdische die Erde besuchten und sogenannte Zonen hinterlassen haben, in denen fremde Technologie zu finden ist. Schatzsucher aus aller Welt begeben sich in Lebensgefahr, um ihre Funde auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen und zugleich nach einem Artefakt zu suchen, dem man nachsagt, alle Wünsche erfüllen zu können. Verfilmt wurde die Idee auf Basis der Romangrundlage unter dem Namen Stalker (1979).

S.T.A.L.K.E.R. krempelt diese Grundidee ein wenig um, denn die Zone ist durch Menschen gemacht, nämlich das alte AKW in Tschernobyll. Geschickt verknüpft man Science-Fiction mit historischen Begebenheiten, denn nach dem Reaktorunglück wurde das Umland dramatisch verändert und so streunen Mutanten durch die Gegend, mysteriöse Anomalien zerfetzen unvorsichtige Schatzsucher und im Zentrum des alten Reaktors befindet sich Gerüchten zufolge das wunscherfüllende Artefakt.

Im Spiel übernimmt man die Rolle eines solchen Glücksritters, genannt Stalker, mit Amnesie, dem nur bekannt ist, dass er einen Konkurrenten mit dem Namen Strelok (russ. Schütze) töten solle. Da die Handlung nichtlinear erfolgt, kann es sein, dass man diesen Auftrag zu erfüllen vermag, aber man kann ihn auch ignorieren und sich den Weg zum Reaktor bahnen. Auf dem Weg dorthin lernt man zahlreiche andere Stalker kennen, die einem Aufträge anbieten, einen erpressen oder schlichtweg feindlich gesinnt sind, etwa die Banditen. S.T.A.L.K.E.R. bringt somit eine gute Portion Rollenspiel mit ein, jedoch ohne irgendeine Form von Charakterentwicklung. Während Artefakte einige Werte des Spielcharakters verändern können, sammelt man keine Erfahrungspunkte, sondern verbessert sich durch die eigene Ausrüstung.

Die Zone ist dabei eine offene Welt, die hier und da durch andere Charaktere oder  Hindernisse blockiert wird. Militärs lassen sich auch bestechen, wenn man nicht erpicht darauf ist, lange Umwege in Kauf zu nehmen. Viele Stalker gehören entweder einer der beiden großen Gruppierungen an, Duty und Freedom, deren Ausrüstung sich an Warschauer Pakt-Militär respektive westlichem Arsenal orientiert. Man kann sich auch als sogenannter Loner durschlagen, muss dabei aber rechnen, es nicht unbedingt immer leicht zu haben.

Abgesehen von dem paramilitärischen Machtringen bietet S.T.A.L.K.E.R. noch eine ganz andere und düstere Seite, die besonders an verlassenen Orten wie alten Bunkern oder geheimen Laboratorien zum Tragen kommt. Neben Zombies (Stalker, denen das Gehirn geröstet wurde) gibt es allerlei unheimliche Begegnungen, darunter die Bloodsucker (unsichtbare und aggressive Mutanten) oder die Poltergeister, die laufend Objekte nach euch werfen. In diesen Momenten kommt die ohnehin dichte Atmosphäre des Spiels zu einem stressigen Höhepunkt, denn selten weiß man sich nach ein paar Stunden voller Feuergefechte sofort gegen diese neuartigen Bedrohungen zu wehren.

Getrübt wird das komplette Erlebnis in meinen Augen etwas durch die extrem ungenauen Waffen, sodass man sich gelegentlich wie ein Stormtrooper aus Star Wars fühlt. Zwar lässt sich das durch Mods ausbügeln, aber im Sinne des Erfinders ist es nicht. Ebenso wenig wie die Entstehung diverser Memes auf Basis von Spielelementen, die unfreiwillig komisch sind. Da wäre zum Beispiel der Bug mit einem Stalker im Eingang einer Bar, der in Dauerschleife „I said come in, don’t stand there!“ sagt oder natürlich das wohlbekannte „Cheeki Breeki“, das auf dem falsch verstandenen ukrainischen Sprichwort „А ну, чики-брики и в дамки.“ basiert.

Trotz allem (oder gerade deshalb) ist S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chernobyl ein Titel, den ich ins Herz geschlossen habe und immer wieder von Zeit zu Zeit installiere. Ebenso empfehlenswert sind seine Nachfolger, die besonders das Anpassen von Schusswaffen und das allgemeine Spielgefühl deutlich aufpolieren. Während Clear Sky ein Prolog zu Shadow of Chernobyl ist, spielt Call of Pripyat nach der Handlung des Erstlings. Interessant ist, dass die Ereignisse miteinander verwoben sind und am Ende ein gesamtes Bild ergeben. Shadow of Chernobyl ist aber trotz allem mein persönlicher Favorit, obwohl ihm einige der Feinheiten der Nachfolger noch fehlten.