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Steam ersetzt Greenlight durch „Steam Direct“ – warum und mit welchen Folgen?

Im Zuge der Einstellung von Steams Greenlight habe ich Gründe, Kritiken und mögliche Folgen recherchiert und analysiert.

Ronja Stobrawe · 20. Februar 2017

Valve zählt als eines der größten und renommiertesten Unternehmen in der Games-Branche, obwohl das Studio schon seit Jahren kein Spiel mehr herausgebracht hat und sich für die Öffentlichkeit sichtbar nur um die Pflege von Dota 2 und Steam bemüht. Im Laufe dessen mittlerweile 13-jährigen Geschichte hat sich Steam zur größten Spieleplattform sowohl für den PC, als auch plattformübergreifend entwickelt.

Vor knapp 5 Jahren öffnete Valve durch die Einführung von Steam Greenlight auch für kleine Indie-Developer die Pforten, um deren Spiele unkomplizierter an den Mann beziehungsweise die Spieler zu bringen. Die Zahlen sprechen auch durchaus für sich: Valve spricht von über 100 Spielen, welche über Greenlight veröffentlicht wurden und damit mehr als eine Millionen Dollar an Einnahmen erzielt zu haben. Auch die Gesamtanzahl der Spiele auf Steam wurde stark von Greenlight beeinflusst: laut Steam Spy-Macher Sergey Galyonkin wurden allein 38 Prozent aller Spiele auf Steam in 2016 veröffentlicht und bis zu 80 Prozent der Gesamtanzahl in den vergangenen drei Jahren. Ganz korrekt sind die Daten von Steam Spy sicherlich nicht, insbesondere, da DLCs, nicht Spiel-bezogene Software und Spiele ohne eingetragenen Eigentümer nicht einbezogen sind, dafür aber auch alte Spiele, welche 2016 erst auf Steam gekommen sind, zu „in 2016 veröffentlicht“ zählen.

Die Daten sind aber dennoch genau genug, um einen Überblick über den Einfluss von Greenlight auf Steam zu bekommen und einen Trend erfassen zu können. Spieler haben eine immer größer werdende Auswahl an Spielen, während es Entwicklern offensichtlich leichter gemacht wird, ihre Idee und ihr Werk zu präsentieren und – im Bestfall – diese Arbeit in Geld ausbezahlt zu bekommen. Wenn man die Zahlen so liest, möge man meinen, Valve hätte mit Greenlight den Nagel auf den Kopf getroffen und das selbst gesteckte Ziel, einen direkteren Weg zwischen Spieler und Entwickler zu schaffen, erreicht.

Quelle: https://twitter.com/Steam_Spy/status/804072335997358084/photo/1

Viele Nutzer praktizieren hier aber eine deutlich andere Lesart: Steam wird von Spielen überflutet, die teils noch nicht einmal zum Laufen gebracht werden können oder derart verbuggt sind, dass sie genauso wenig spielbar sind. Das zeugt davon, dass das Submission-System nur unzureichend funktioniert, wenn sich solche Spiele nicht nur in Einzelfällen einschleusen können.

Gleichzeitig unterstütze Greenlight nur die Spiele, welche direkt in den ersten wenigen Stunden nach Veröffentlichung bereits die Aufmerksamkeit der Nutzer auf sich ziehen können und gibt anderen im Vergleich keine Chance. Viele Entwickler berichten davon, dass ihr neu auf Greenlight eingestelltes Spiel für nur etwa eine Stunde auf der Frontpage zu sehen war, bevor es im Nirvana der unzähligen anderen Spiele, welche dasselbe Schicksal erleiden mussten, verschwindet. Summa Summarum fördere Greenlight also nur Spiele, welche ohnehin schon erfolgreich sind; der Rest wird effektiv zu Karteileichen, da die wenigsten Nutzer über die Frontpage hinaus Greenlight erkunden.

„There are on average 20 to 30 releases a day at this point, and developers are increasingly finding it extremely difficult to have their game see any meaningful front-page presence.“ (John Walker, RockPaperShotgun)

Nun scheint relativ überraschend aber auch Valve selbst der Meinung zu sein, dass Greenlight nicht der Lösung entspricht, die man sich vorgestellt hat: in einem Blogpost mit dem Titel „Evolving Steam“ wurde angekündigt, dass Greenlight zum Frühjahr hin eingestellt und durch ein neues System namens „Steam Direct“ ersetzt werden soll.

Diese Änderungen werden die Nutzer voraussichtlich deutlich weniger treffen als die Entwickler, da diese nun eine Gebühr an Steam entrichten müssen, sobald sie ein Spiel einreichen. Wie hoch diese sein wird, ist noch unbekannt – laut Valve hat das Unternehmen mit einer Vielzahl an Entwicklerstudios gesprochen und es wurden Zahlen von erschwinglichen 100 Dollar bis hin zu 5000 Dollar genannt. Diese Gebühr kann allerdings nicht als Einmalzahlung, sondern eher als eine Art Pfand verstanden werden: verkauft sich das Spiel, wird die Zahlung zurückerstattet. Ansonsten war es Lehrgeld – im Fall der 5000 Dollar ein sehr teures. Zusätzlich soll jeder, der ein Spiel veröffentlichen möchte, eine formale Registrierung vornehmen, die persönliche Daten beziehungsweise Firmendaten und Steuerdokumente beinhalten soll. Valve vergleicht das Vorgehen mit den Bedingungen der Kontoeröffnung bei einer Bank. Dadurch möchte man nicht ernst gemeinte Einreichungen verhindern und die Pipeline zwischen Einreichen eines Spiels und Veröffentlichung dessen auf der Plattform entlasten.

BroForce gehört zu den Spielen, die erfolgreich auf Greenlight waren.

Insgesamt zieht Valve aber eine positive Bilanz aus der Erfahrung mit Greenlight: zum einen habe es tatsächlich für eine niedrigere Einstiegshürde für Entwickler und ein direkteres Verbreitungssystem zwischen Publisher und Nutzer gesorgt, aber auch demonstriert, was für unterschiedliche Typen von Zielgruppen und Steam-Nutzern es gibt und zu erreichen gilt. Zu diesem Zweck gab es im Laufe der letzten fünf Jahre einige Updates mit neuen Features, welche Spiele besser an passende Zielgruppen bringen sollte: darunter Tags, Rückerstattung, Review-Funktionen und vor allem die Discovery-Sektion. Mit deren Einführung seien die Spielzeiten pro Spiel im Schnitt gestiegen. Seit Einführung von Greenlight habe sich die Anzahl der gekauften Spiele pro User sogar verdoppelt – schließlich gibt es seitdem auch mehr Auswahl. Aber auch Developern wurde zusätzlich zur niedrigen Einstiegshürde mit den Publishing Tools von Steamworks unter die Arme gegriffen.

Der nächste Schritt, so Valve, sei nun, diesen direkten Publishing-Weg mit formaler Registrierung der Entwickler fortzusetzen, wofür „Steam Direct“ nun Greenlight ersetzen soll. Das und die Gebühren soll Greenlights Schwächen, nämlich das Überfluten der Plattform mit verbuggten, lieblos des Geldes Willen zusammengeschusterten Spielen, verhindern.

Die eigentlichen Probleme sehen aber viele Kritiker woanders, und diese werden nicht mit angegangen: Valve verlagern die Verantwortung für die Kontrolle und Regulierung der Plattform auf die Nutzer und Entwickler, statt die offensichtlichen Probleme selbst anzugehen. Tags und Discovery repräsentieren die Zielgruppen nicht differenziert genug und brechen sämtliche Spiele letztendlich auf ein „Wenn du Spiel X mochtest, wirst du dieses Spiel Y mögen“ herunter. Dadurch wird jedem, der einmal ein Spiel mit dem Tag „Shooter“ gespielt hat, eine Sintflut an weiteren Shootern angeboten und die Auswahl wird damit wieder zu groß, um sich ernsthaft mit ihr zu beschäftigen.

Ein negativer Review und das gesamte Spiel ist negativ bewertet.

Das Review-System hingegen arbeitet zu stark in Absoluten und kann das Potential von Spielen im Keim ersticken. Jeder, der schon einmal Rezensionen auf Amazon durchgelesen hat, wird merken, dass dieses nur bedingt gut funktioniert. Ein Artikel mit 5 Bewertungen bekommt eine niedrige Durchschnittsanzahl an Sternen, weil ein besonders kluger User eine Rezension mit einem Stern und dem Kommentar „War ein Geschenk, kann darüber keine Aussage treffen“ hinterlassen hat. Dass das nicht Sinn und Zweck eines Reviews ist, sollte jedem klar sein – doch dieser Amazon-Effekt lässt sich durchaus auch auf Greenlight finden. Nur ist hier die Differenzierung noch geringer: statt einer Skala von einem bis fünf Sternen gibt es hier nur einen grünen, einen gelben und einen orangenen Daumen. Und selbst ein gelber Daumen bei einem Spiel mit zwei Bewertungen kann bereits darüber entscheiden, ob es überhaupt noch einmal weiter vorne angezeigt und damit gesehen wird. Auch, wenn die schlechtere der beiden Bewertungen nur „Ich habe es nicht gespielt, aber es sieht nicht interessant aus“ sagt. Denn diese Bewertungen lesen dann nur wenige überhaupt. Eine bessere Lösung wäre hier, erst ab einer gewissen Anzahl an Rezensionen (beispielsweise repräsentativen 50) überhaupt erst derart absolute Werte plakativ auszuhängen und vorher nur auf die Anzahl der Rezensionen zu verweisen.

In seiner jetzigen Form steht das Review-System für eine zunehmend toxischer werdende Beziehung zwischen Spielern und Entwicklern, da die Reviews und Kommentare insbesondere in Greenlight hauptsächlich für gegenseitige Vorwürfe und Beschimpfungen genutzt werden – zufriedene Spieler geben seltener ihre Meinung ab als (aus welchen Gründen auch immer) unzufriedene. Demnach arbeitet es also genau dem entgegen, was Valve sich zum Ziel gesetzt hat: einen guten und direkten Draht zwischen den beiden Parteien zu schaffen und seriösen Entwicklern eine Chance zu geben.

Ein erfolgreiches Greenlight-Spiel: Papers, Please!

Die geplanten Änderungen von Greenlight zu Steam Direct werden sicher ihren Teil tun, um Einreichungen von nicht lauffähigen oder billig zusammengebastelten Spielen einzudämmen, aber sie wälzt weiterhin die Verantwortung dafür, dass solche Spiele überhaupt erst auf Greenlight erscheinen konnten, auf die Entwickler ab. Sollte die fällige Gebühr tatsächlich eher im oberen Ende angesetzt werden, wird sie so stark filtern, dass sie sich nur ein ohnehin bereits etablierter Entwickler überhaupt leisten kann – die noble Grundidee von Greenlight wäre damit völlig aus dem Spiel.

Tatsächlich wäre hier Eingreifen auf Seiten von Valve nötig: ein besserer Algorithmus, um mehr Chancengleichheit bei neu eingereichten Spielen zu schaffen, statt sie direkt wieder zu verdrängen. Und: Manpower. Letztendlich kann keine Gebühr verhindern, dass kaputte Spiele mit geklauten Assets auf einen Markt kommen, auf welchem sie unerwünscht sind. Wenn echte Menschen die Einreichungen prüfen verringert sich zwar der Durchsatz der Pipeline und die Überprüfung wird sicher länger dauern, aber die Qualität und allgemeine Seriosität der Plattform wird sich steigern.