TESTS

Attack on Titan Wings of Freedom

Nach längerer Wartezeit ist der Titanenschnetzler auch bei uns zu kaufen. Was er so kann, erfahrt ihr im folgenden Test.

Lucas Rau · 4. September 2016

Sind japanische Anime-Lizenzspiele auf dem westlichen Markt teils eher rar gesät, erfreut sich aber Attack on Titan seit einigen Jahren an extremer Beliebtheit. Kein Wunder also, dass der Current-Gen Titel es auch in unsere Gefilde schafft.

Der Anime startet bereits 2013 und soll 2017 mit einer zweiten Staffel fortgesetzt werden. Um die Wartezeit zu verkürzen, brachte Koei Tecmo Anfang des Jahres in Japan das Actionspiel Attack on Titan Wings of Freedom heraus, das es nun auch bei uns zu kaufen gibt.

Sie sind das Essen und wir sind die Jäger!

Wer Attack on Titan, im Original Shingeki no Kyojin, noch nicht kennen sollte, dem sei im Folgenden ein kleiner Abriss der Story gegeben.

Rund 100 Jahre vor Beginn des Spiels tauchten riesige, humanoide, menschenfressende Wesen auf, die einen Großteil der Weltbevölkerung töteten. Die überlebenden Menschen erschufen drei große, runde Wälle – Maria, Rose und Sina – um sich vor den Monstern zu schützen. Die über 50 Meter hohen Mauern werden mit Beginn der Spielgeschichte vom sogenannten kolossalen Titan – der nochmal ein paar Meter größer als die Mauer ist – eingerissen, woraufhin anschließen die angrenzende Stadt überrannt wird und ca. 1/3 der Menschheit sterben.

Der Hauptcharakter ist Eren Jäger, welcher kurz nach dem Fall der äußersten Mauer Maria den Tod seiner Mutter mit ansehen muss. Getrieben von Hass und Rache entschließt er sich der Militärakademie beizutreten und trainiert fortan im 104en Training Corps im Bereich der zweiten Mauer Rose.

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Während der Ladezeiten erfahrt ihr mehr über die Welt von Attack on Titan.

Auch das Spiel folgt dieser Handlung und lässt euch die komplette erste Staffel über drei Kapitel mit insgesamt rund 30 Hauptmissionen nachspielen. Ein Epilog, welcher Aspekte des Mangas und (leider nur wenige) Ereignisse nach Staffel 1 aufgreift, ist vorhanden.

Das Gameplay ist sehr originell, da Serienschöpfer Hajime Isayama ja schon im Manga mit der ODM-Ausrüstung – kurz für Omni-Directional Mobility, also dem Bewegen in jedwede Richtung – etwas gänzlich Neues erschaffen hatte. Ihr schwingt euch also durch Straßen und Wälder, ähnlich wie Marvels Spinnenheld, und schlachtet mit den „nachladbaren“ Schwertern die Titanen ab. Der Schwachpunkt der haushohen Gegner liegt dabei im Nacken, auf Höhe der unteren Halswirbel. Weitere Ankerpunkte sind die Beine und Arme. Habt ihr also Problem einen der Titanen zu besiegen, hackt im doch einfach die Beine ab, damit er sich nicht mehr bewegen kann. Bei bestimmten Gegnertypen ist dies sogar Pflicht, da ihr den Nacken nur attackierten könnt, wenn ihr anderen Gliedmaßen genug Schaden zugefügt habt. Anfangs noch etwas kompliziert, geht die Steuerung nach wenigen Minuten in Fleisch und Blut über und macht richtig Spaß.

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Dieser Titan wird gleich Geschichte sein.

Im Storymodus dürft ihr neben dem spielbaren Protagonisten Eren Jäger, auch in die Rolle seiner Adoptivschwester Mikasa Ackermann oder des hellen Köpfchens Armin Arlert schlüpfen. Auch die Legende des Aufklärungstrupps Levi ist mit von der Partie. Im Expeditionsmodus, der sowohl Offline als auch Online spielbar ist, gibt es noch sechs weitere Charaktere der Reihe. Im Prinzip steuern sich alle komplett gleich, haben aber unterschiedliche Werte bei Angriff, Geschwindigkeit et cetera. Lediglich Armin besitzt eine besondere Fähigkeit, die ihn leicht von den anderen abhebt. Mit Knopfdruck könnt ihr Kameraden befehlen das anvisierte Körperteil des Gegners anzugreifen. Ziemlich nützlich, da Armins Stärke-Werte ziemlich niedrig sind.

Nach jeder abgeschlossenen Mission erhaltet ihr Ressourcen, mit denen ihr neue Ausrüstung – die es freizuschalten gilt – entwickeln könnt oder bestehendes Equipment verbessern dürft. Eigentlich ist dies nicht wirklich nötig, da der Titel wirklich sehr leicht ist. In meinen bisher 20 Stunden Spielzeit bin ich kein einziges Mal gestorben, da ihr mit Heiltränken, Gas und Klingen für das ODM und einer Fokuszeit, wenn ihr wenig Leben habt, überschüttet werdet. Ein weiterer Punkt könnte auch die teils katastrophale KI der Gegner sein. Nicht nur einmal stand ich vor einem Titanen, ohne angegriffen oder gar beachtet zu werden.

Fernab der KI ist der Titel aber technisch sauber. Gerade die Cutscenes, zwischen und während den Missionen, sind gut in Szene gesetzt. Die Grafik ist in Ordnung, aber nicht bahnbrechend, dafür läuft der Titel trotz der teils sehr hektischen und schnellen Kämpfe recht stabil. Framerate-Einbrüche hatte ich nahezu keine.

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Wie in den alten Spider-Man-Spielen schwingt ihr euch durch die Lüfte.

Die Inszenierung zwischen und während den Missionen ist gut dargestellt und erzählt die – aus Anime und Manga bekannte – Geschichte nach. Es werden zwar einige Sachen ausgelassen, dennoch hatte ich Spaß nochmal die wichtigen Ereignisse mitzuerleben und mich an die gleichen Szenen im Anime zu erinnern. Dabei helfen auch die originalen japanischen Sprecher. Eine deutsche oder englische Tonlokalisierung fehlt komplett, Untertitel sind aber selbstverständlich vorhanden. Für Veteranen der Serie ist alles gut verständlich, Neueinsteiger könnten aber mit den ein oder anderen Plotpunkten leichte Probleme haben. Schade ist es, dass der Soundtrack nicht direkt aus dem Anime übernommen wurde. Bitte nicht falsch verstehen. Die Stücke sind immer noch von hoher Qualität und klingen gut, aber das ein oder andere Lied der Serie ist mir noch heute im Kopf und hätte mir das Spiel noch mehr versüßt.

Viel Langzeitmotivation bietet Wings of Freedom leider nicht. Zwar könnt ihr die Missionen wiederholen, um neue Rohmaterialien zu finden oder euren Abschlussrang zu verbessern, aber das war es im Prinzip auch schon. Auch ein Online-Modus steht zur Verfügung, bei dem ihr zum Beispiel mit Freunden die Survey Missionen angehen könnt. Ein netter Spielmodus, aber mit dem Singleplayeraspekt des Titels hatte ich eigentlich mehr Spaß. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass ich den Titel noch das ein oder andere Mal anschmeißen werde, um die Giganten zu fällen.

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Zehn Charaktere könnt ihr außerhalb der Storymissionen benutzen.

Nach rund 10-12 Stunden erreicht man das Ende von Kapitel 3 und hat das Spiel im Prinzip beendet. Es folgen noch weitere Epilogmissionen, allerdings können diese nur freigeschaltet werden, wenn die Survey Missionen – kurze Nebenmissionen – abgeschlossen werden, und zwar eine ganze Menge davon. Es gibt verschiedene Gebiete, wobei jedes rund elf dieser Missionen bietet. Zwischen 60 % – 80 % müsst ihr dann absolvieren, um im Epilog fortfahren zu können. Leider klassische Spielstreckung, die nervt und mich am Ende stark gestört hat. Die Epilog-Aufträge sind an sich sehr schnell abzuhandeln, mit den verpflichtenden Missionen des Aufklärungstrupps braucht ihr aber insgesamt nochmal gute 3-4 Stunden. Das stark repetitive Gameplay, macht sich nach dieser Spielzeit natürlich noch mehr bemerkbar und lässt den Spaß im „Endgame“ etwas sinken. Dennoch hat es etwas, die riesigen Gestalten zu Fall zu bringen und mit der ODM-Ausrüstung, wie Spider-Man – durch die Lüfte zu schwingen.

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Nach Kapitel 3 könnt ihr euch frei in der Festung des Aufklärungstrupps bewegen und etliche Nebenquests oder Aufträge einzelner Charaktere erledigen.