TESTS

Espire 1

Holodeck Sam Fisher

Jan Markus Mäuer · 6. Januar 2020

Virtual Reality eröffnet viele Möglichkeiten für neue Ideen und, potenziell, neue Genres. Aber das heißt nicht dass es nicht Platz fürs “Gewohnte” gibt. Und kaum etwas ist so “gewohnt” wie Schleichspiele, “Stealth Action Games”, wie immer man es nennen will. Zumindest wenn man die “Geburt” des Genres in den späten 90ern (jaja, technisch gesehen gabs die Sachen schon länger, ihr wisst was ich meine) miterlebt hat und die vielen vielen mittelmäßigen Trittbrettfahrer die dem Trend gefolgt sind.

Der vorrangige Virtual Reality Stealth Titel ist sicherlich Budget Cuts (und der vor kurzem erschienene Nachfolger), ein innovativer und quirliger Titel der schon lange vor dem eigentlichen Release durch Demos und Betas mit seiner Nutzung von “Roomscale” Bewegungsfreiheit geglänzt hatte. Dennoch: Durch seine comichafte Präsentation und komödiantische Story verkauft es einem nicht die Virtual Reality Fantasie, “einmal selbst Sam Fisher/Solid Snake zu sein”. Dafür ist Espire 1 da.

Und in aller Ehrlichkeit, Espire 1 ist ein “mittelmäßiger Stealth Trittbrettfahrer”….wenns nicht ein VR Spiel wäre. Oberflächlich ist es wirklich nichts besonderes in Sachen Gameplay, mit üblichen, un-überraschenden Fähigkeiten, Umgebungen und selbst der (durchaus beabsichtigten) dämlichen kurzsichtigen Gegner KI. Und die Handlung wäre absolut nicht erinnerungswürdig, wäre es nicht eines der wenigen Spiele in einem australischen (!?) Setting, mit … sagen wir sehr intensiven, Akzenten.

…Aber es ist ein VR Spiel, und “Immersion” ist eine mächtige Droge. In Espire 1 ist man selber Sam Fisher und huscht von Deckung zu Deckung zu Lüftungsschacht, man ist selber Solid Snake wie er hinter Gegnern steht und sie mit vorgehaltener Waffe und einem scharfen “FREEZE” Befehl (den man dank Mikrofon Integration in den meisten VR Headsets selber geben kann) den überraschten Feind zur Kapitulation zwingt.

Natürlich ist man praktisch gesehen keiner von beiden. Stattdessen ist man ein unbenannter Australischer Geheimagent, der via einer Art Holodeck die Kontrolle von “Espire” Einheiten übernimmt, humanoiden Roboter Drohnen Prototypen die quasi die “Feldarbeit” übernehmen. Das gibt den Entwicklern clevere Möglichkeiten, zum Beispiel wenn es darum geht potenzielle “Seekrankheit” (Motion Sickness) bei manchen Spielern zu minimieren oder zu verhindern, ohne das die Immersion in der Spielwelt gebrochen wird. Und da die Roboter in ausreichender Stückzahl vorhanden sind, “Respawnt” man im Todesfall einfach als Ersatzgerät. Andere Features des fernsteuerbaren Roboteragenten sind die üblichen Wärmebild Kameramodi, “Bullet Time” Slow Motion, zwei handmontierte Kameras, mit denen man um Ecken schauen kann ohne sich preiszugeben und, weils in VR immer Spaß macht und … vertikalere Taktiken ermöglicht, kann man an allen metallischen Oberflächen hoch- und entlang klettern. Und nimmt man schaden, kann man eine Art Elektroschocker benutzen, um seinen Roboter on-the-fly zu reparieren (und darüber hinaus Gegner attackieren und das Ding als eine Art Kompass benutzen wenn man nicht weiß wo man hinsoll).

Und all das zusammen kann für brilliante Momente sorgen. Über unbedarfte Wachen hinweg klettern, ihnen an dunklen Ecken auflauern oder mit Hilfe von Slow Motion und Kameras ein paar Superagenten Moves ausführen ist fantastisch und die natürliche Spannung eines Stealth Titels ist um einiges verstärkt wenn man “mittendrin” ist.

Es spielt theoretisch sich nicht anders als “2D” Stealth Titel, aber die Praxis macht den Unterschied.

Auf Oculus Quest, mit dem ich das Spiel getestet habe, funktioniert das Ganze auch ohne Einbuße außer den offensichtlichen grafischen Rückschritten. Es ist offensichtlich dass der Look nicht mit der PlayStation 4 Version und der PC Version des Spiels mithalten kann und zugegeben gibt es Momente die mehr Perfect Dark als MGS V sind, aber das Feeling und der Feature-Umfang ist unkompromittiert.

Gleichzeitig sind jedoch technische Schwächen da, und Plattform übergreifend. Die strunzdoofe KI ist noch als Designentscheidung zu einem Punkt verständlich, aber hin und wieder kann auch die Steuerung für sich nicht mithalten. Obwohl es Kalibrierungsoptionen gibt, konnte ich mein virtuelles Inventar nie so ganz einrichten, das ich unkompliziert zwischen Waffen und Items wechseln konnte, was allen voran in hektischen Momenten frustrieren kann. Etwas nachvollziehbarer, aber dennoch sehr gewöhnungsbedürftig ist der “virtuelle” Rückstoß den Waffen haben. Es macht Sinn, dass Waffen einen merkbaren Rückstoß haben, nur sorgt der Konflikt zwischen der Handposition und dem visuellen Feedback das man umso länger braucht um damit umzugehen.

Und auch wenn der Umfang für VR Verhältnisse okay ist und es durch verschiedene Lösungswege und einem Wertungssystem Wiederspielwert hat, ist dieser Umfang mit simpleren “Challenge Missionen” und wenig Abwechslung im Leveldesign erkauft. In gewisser Weise entspricht das dem allgemeinen “B-Level Stealthgame” Feeling des Spiels, dass die Levels sehr einseitig und uninteressant aussehen, unabhängig davon wie hochaufgelöst die Texturen sind.