Test – God of War Ragnarök
“Death can have me… when it earns me.”
Veröffentlicht am 9. November 2022 für PlayStation 4 und 5, knüpft Entwickler Santa Monica Studio mit God of War Ragnarök fast nahtlos an den 2018 erschienenen PS4-Titel God of War an.
Zwei Jahre nach dem Ende des Vorgängers finden sich Kratos und Atreus inmitten des Fimbulwinters, der eisigen Zeit, die dem Ende der Welt – Ragnarök – vorausgeht wieder. Um dies zu verhindern, sucht Atreus Hinweise auf den Verbleib von Týr, dem nordischen Gott des Krieges, da dieser laut einer Prophezeiung der Jötnar den Kampf gegen Asgard während Ragnarök leitet. Auf der Suche werden die beiden jedoch immer wieder von Freya angegriffen, die sich an Kratos für den Mord an ihren Sohn Baldur rächen will.
Wie bereits im Outro von God of War (2018) klar wird, werden Kratos und Atreus außerdem von Donnergott Thor aufgesucht. Dieser hat Göttervater Odin bei sich, der ihnen einen Deal vorschlägt: Atreus soll aufhören nach Týr zu suchen, dafür werden die Aesir-Götter keine Rache für den Tod von Thors Söhnen verüben und außerdem Freya töten. Kratos lehnt allerdings ab und so nimmt die mitreisende – circa 15–20-stündige – Geschichte ihren Lauf.
Vom Gameplay her ändert sich im Vergleich zum Vorgänger nicht viel. Ihr kämpft euch mit Kratos weiterhin durch Gegnerhorden, lässt simple Rätsel, erkundet die Welt und erledigt optionale Aufgaben oder findet Sammelgegenstände. Euch stehen im Kampf weiterhin sowohl die Blades of Chaos als auch die Leviathan-Axt zur Verfügung. Im späteren Verlauf erhaltet ihr außerdem eine weitere Waffe, auf die ich aus Spoiler-Gründen, aber nicht näher eingehen möchte. Neu sind zudem der überarbeitete Fertigkeitenbaum und damit einhergehend auch einige der freischaltbaren Skills. Jene werden nach einer vorgegebenen Anzahl an Nutzungen im Rang erhöht – über Bronze, Silber, bis hin zu Gold. Nach Abschließen des Goldrangs wird ein Mod-Slot freigeschaltet, der es erlaubt die jeweiligen Fähigkeiten mit Boni wie Schutz oder Schaden – um nur zwei zu nennen – aufzuwerten.
Obendrein wurde am Moveset der Waffen ein bisschen gefeilt. So sind manche Angriffe, die vorher als Kombos zur Verfügung standen nun nur noch als Runenangriffe verfügbar. Von diesen kann jede Waffe je mit einer leichten und schweren ausgestattet werden. Unterschiedliche Stat-Verteilungen in den Kategorien Stun und Damage sowie Frost, Burn oder Force, aber auch verschiedene Typen lassen die Runenangriffe nie langweilig werden. Wie nützlich sie auf den höheren Schwierigkeitsgraden sind, sei allerdings dahingestellt. Da sie keine i-Frames bieten, teilweise aber einige Sekunden andauern, ist man den Attacken der Gegner schutzlos ausgeliefert. Bei kleineren Gegnertypen, die betäubt werden können, ist dies vielleicht zu vernachlässigen, spätestens aber bei Bossen wird es zum Problem. Die Problematik wird überdies erschwert, da man diese Spezialangriffe auch nicht abbrechen kann. Es lässt sich argumentieren, dass hierbei Taktik eine Rolle spielt und somit abzuwägen ist, ob sie genutzt werden sollten. Dafür ist der Nutzen allerdings in der Regel nicht groß genug.
Auf den ersten Blick schaut das Ausrüstungssystem recht ähnlich wie bereits im 2018er-Titel aus. Kratos kann mit drei Rüstungssegmenten, an Hüfte, Körper und Handgelenken; außerdem einem Schild und Schildaufsatz; den bereits genannten Runenangriffen sowie einem Relikt ausgestattet werden. Darüber hinaus erhält man im weiteren Spielverlauf auch das Yggdrasil-Amulett, das neun Slots für Aufwertungen bietet – anfangs stehen allerdings nur drei zur Verfügung. Setzt man sich mehr mit dem System auseinander, werden Änderungen deutlich. So gibt es nun mehrere Schilder, mit unterschiedlichen Boni und Spezialfähigkeiten, mit denen der Gott des Krieges ausgerüstet werden kann. Die im neuen Amulett verankerbaren Steine haben Setboni, die – wie auch die Rüstungssets – zum Probieren unterschiedlicher Spielstyle einladen. So ist es beispielsweise möglich verstärkt auf Runenangriffe – in Kombination mit einer Reduktion des Cooldowns – oder Elementschaden zu setzen. Wer eher rein im Nahkampf spielen möchte, nimmt eins der Sets, die das Leben und die Defensive erhöhen.
Da im Spiel generell auch alles in irgendeiner Weise aufgebessert werden kann, sei es durch Erfahrungspunkte oder Materialien, sind alle Sets auch im Endgame nutzbar. Materialien finden sich ebenfalls genug, sodass ihr keine Angst haben müsst etwas zu verpassen.
Moderne Open-World Spiele haben häufig das Problem, eine zu große, offene Welt und wenig Abwechslung zu bieten. God of War Ragnarök schafft es hingegen hervorragend, eine erfrischende Variation zwischen linearen Story-Missionen und offener non-linearer Erkundung zu bieten. Es ist hilfreich, dass die Welt keine einzelne große Spielwiese ist, sondern in die neun Reiche der nordischen Mythologie unterteilt ist. Spieler:innen wird so die Möglichkeit geboten, ihr Tempo selbst zu bestimmen. Spielt ihr lieber eine Nebenmission, findet neue Ausrüstung oder Materialen zum Aufwerten, sucht nach Sammelgegenständen oder folgt ihr einfach der Hauptgeschichte? Die großen, toll inszenierten und graphisch dargestellten, Areale laden gerade dazu ein erkundet zu werden. Optisch fantastisch inszeniert ist auch Fimbulwinter, der sich zum Großteil auf Midgard auswirkt, aber auch in andere Reiche eingreift. So ist der Lake of Nine nun zugefroren und kann nur noch per Fuß oder Schlitten begangen werden. Gebiete, die ehemals grün waren, sind verschneit, gar vereist; es wirkt kalt und trostlos. Im Kontrast dazu stehen Gebiete wie Vanaheim oder Svartalfheim mit ihrer warmen, farbigen, einladenden Optik. Ersteres bietet außerdem das größte Areal zum Erkunden und einen hervorragenden, optionalen Bereich, der seine ganz eigene Geschichte erzählt. Graphisch ist der Titel eine absolute Augenweide, auch im Performance-Modus. Empfehlenswert ist aber der Qualitätsmodus, wenn euer Fernseher die Option einer variablen Wiederholungsrate besitzt. Dann spielt sich Ragnarök in einer Auflösung zwischen 1800p und 2160p, mit freigeschalteter Framerate von 40FPS und einer flüssigen Bildwiederholungsrate.
Außer Kratos steuert ihr in einigen Segmenten nun auch Atreus. Dieser kämpft mit Pfeil und Bogen und nutzt letzteren auch im Nahkampf. Im Skillbaum lassen sich, in vergleichsweiser abgespeckter Form, einige Skills freischalten. Diese sind überdies auch nützlich, wenn Atreus als Gefährte dabei ist. Es lassen sich beispielsweise die zwei Pfeiltypen Sonic und Sigil upgraden, damit Kratos im Kampf bessere Unterstützung erhält. Des Weiteren kann er mit Runen und Beschwörungen ausgestattet werden, die ebenfalls Boni im Kampf geben. Neben Atreus gibt es auch noch andere Mitstreiter:innen, die euch im Kampf unterstützen. Selbst auswählen lassen sich diese allerdings nicht. Je nach Story-Abschnitt habt ihr jemand anderen dabei. Einem dieser Charakter steht, ebenso wie Atreus, ein komplett eigener Fertigkeitenbaum zur Verfügung. Beiden kann ferner auch die Rüstung gewechselt werden; dies hat jedoch nur einen optischen Nutzen.
Neben all der Positivität soll natürlich nicht unbemerkt bleiben, dass der Titel auch seine Schwächen hat; derer aber nicht viele. So ist die Hauptgeschichte in einigen Teilen wirklich etwas langatmig. Obwohl Atreus spaßig zu spielen ist, gibt es einen Abschnitt der recht früh im Spiel vorkommt, leider aber deutlich zu lang ist und sich mitunter zieht. Generell ist die Balance der Spielsegmente zwischen Kratos und Atreus nicht optimal gewählt; eine bessere Balance der beiden wäre von Vorteil gewesen. Atreus als spielbarer Charakter fiel mir aber nicht negativ auf und ein Spin-Off mit dem Jungen in der Hauptrolle ist durchaus vorstellbar. Des Weiteren werden verbale Tipps für Puzzle deutlich zu schnell gegeben. Teilweise hat man nicht mal Sekunden, um über mögliche Ansätze oder Lösungen nachzudenken. Meist weisen die Gefährt:innen zwar lediglich auf relevante Punkte hin, eine Option diese verbalen Hinweise auszuschalten wäre dennoch gut gewesen. Dieses ist bereits in Sonys First-Party-Titel Horizon Forbidden West negativ aufgefallen. Letztlich negativ zu benennen ist die Schnellreise. Über Gateways – auffindbar an verschiedenen Orten der Karte – lässt sich zwischen den Reichen sowie innerhalb der Reiche wechseln. Hierbei merkt man einfach deutlich, dass das Spiel ursprünglich für PlayStation entwickelt wurde, da die Gateways nichts anders machen als Ladezeiten zu kaschieren. Jene sind auf Sonys aktueller Hardware allerdings eh kaum vorhanden, daher wäre ein Schnellreisesystem wie bei Ghost of Tsushima von Vorteil gewesen.
Positiv herausstellen möchte ich zuletzt noch die wirksame Umsetzung der nordischen Gottheiten und damit einhergehend auch die starken Performances der Schauspielenden, die der ohnehin starken Narrative des Spiels die Krone aufsetzen. Besonders hervorzuheben sind Christopher Judge als Kratos – dessen Darstellung des griechischen Gottes ihm bei den Game-Awards 2022 die Trophäe für „Best Performance“ einbrachte– aber ebenso Danielle Bisutti als Freya oder Alastair Neil Duncan als Mimir. Die Charakterentwicklung, des ehemals rachsüchtigen Gottes, nimmt in God of War Ragnarök ihren Höhepunkt. In Bezug auf Kratos Entwicklung über die nordische Saga wirkt jede gesprochene Zeile durchdacht und passend; Zitate aus Vorgänger lassen Gänsehaut aufkommen. Ein weiteres Highlight ist ebenfalls Donnergott Thor. Statt eines durchtrainierten Schönlings – denkt man beispielsweise an Thors Porträtierung in den Marvel-Filmen – bekommt man hier einen Charakter, der sich mehr an der nordischen Mythologie orientiert. Der Hüne ist ein Berg eines Mannes und überragt den ohnehin riesigen Kratos sicher um einen Kopf. Wirkt er anfangs wie ein plumper und eindimensionaler Säufer, ändert sich diese Ansicht mit fortlaufenden Spielstunden. Der Familienvater sorgt sich um seine Tochter Thrúd, will sich gleichzeitig aber Vater Odin – vertont vom fantastischen Richard Schiff – beweisen und gerät so in einen wundervoll dargestellten Interessenkonflikt
Fazit
God of War Ragnarök ist ein wirklich herausragendes Spiel, in diesem ohnehin schon starken Spielejahr 2022. Die Geschichte um den griechischen Gott und Sohn Atreus nimmt hier ein fulminantes Ende. Wunderschöne Setpieces, eine besondere Narrative, die hervorragenden Darstellungen der Charaktere; alles greift wie in einem Uhrwerk ineinander und präsentiert ein Spiel, das sich mit dem besten der Spieleindustrie messen kann.