TESTS

Gran Turismo Sport

Fair Play in der grünen Hölle

Sebastian · 20. November 2017

The Real Driving Simulator is back. So oder so ähnlich könnte die Landung von Gran Turismo Sport auf der PlayStation 4 von Polyphony Digital auch bezeichnet werden. Nach den vielen Höhen und Tiefen die Sony mit Driveclub durchstehen musste, zeigt Rennspiel-Mastermind Kazunori Yamauchi seine Vision vom perfekten (Online-)Rennspiel.

Optisch ist Gran Turismo Sport eine wahre Perle.

Alles begann mit der PlayStation 1 und dem ersten Teil von Gran Turismo im Jahr 1997. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als ich Gran Turismo das erste mal angespielt habe. Es war wie ein Blick in die Zukunft und schiere Ungläubigkeit, dass das was ich gesehen habe wirklich ein Spiel sei: Reflexionen im Lack der Autos als wäre es das Normalste auf der Welt. Davon konnten andere Rennspiele zu dieser Zeit nur träumen. Natürlich war es keine echte Reflexion, aber es hat gepasst und das Gegenteil konnte man ebenso nicht beweisen. Dazu kam ein richtig knackiger Soundtrack und die Möglichkeit, seine Autos nach Belieben tunen zu können, seine Erfahrungen in den sogenannten “Cups” unter Beweis zu stellen. Rückblickend betrachtet gab es seit dem kein Rennspiel mehr seit, bei dem ich so viele Möglichkeiten und tolle Momente erlebt habe. Der Mitsubishi TwinTurbo in Weiß war damals meine große Liebe und ich habe wirklich jede Komponente bis zur Spitze optimiert.

Und jetzt, genau 20 Jahre nach dem ersten Teil, geht es erneut auf die Rennstrecke. Allerdings nicht wie man es bisher gewohnt ist. Es handelt sich bei Gran Turismo Sport um ein Online-Multiplayer Rennspiel. Kein großer Fuhrpark mit hunderten Autos und verschiedenen Rennveranstaltungen im klassischen Sinne. Viel mehr wird nun wert auf kompetitives Autorennen gelegt, was das Gameplay im gesamten irgendwie arcadiger macht, aber echte Gran Turismo Fans ebenso abschrecken könnte. Aber alles der Reihe nach.

The Real Driving Simulator

Gran Turismo Sport ist wie gesagt kein klassisches Spiel der Serie. Der Fokus liegt eindeutig im kompetitiven Online-Rennen, also dem Rennen gegen andere Fahrer auf der ganzen Welt. Eine sogenannte Kampagne ist auch mit dabei, diese ist jedoch auf sehr einfache Aufgaben beschränkt. So ist es ein Teil der Kampagne, dass man Fahrzeuge richtig beschleunigt, bremst und auch Abstände richtig einschätzt. Diese Bereiche nennen sich Fahrschule, Missionen und Streckenerfahrung. Damals waren diese Aufgaben im Bereich “Lizenzen” untergebracht.

Es gibt einen Arcade Modus der einen bereits einige verfügbare Autos und Rennstrecken freigibt und sofort zum losfahren einlädt. Modis wie Einzelrennen, Zeitrennen, Drift-Rennen und einige weitere sind dort zu finden. Wer also keine Kampagne oder Online-Rennspiele mag, kann sich hier gegen die KI oder im Splitscreen-Modus gegen seine Gegner beweisen.

Aber das alles soll natürlich nicht umsonst sein. Für jede bestandene Prüfung, Rennen oder Aufgabe gibt es im Spiel die sogenannten Credits. Diese werden benötigt, damit man sich neue Flitzer kaufen kann. Außerdem wird die gefahrene Wegstrecke mitgezählt, so dass ihr stets ein Gefühl dafür bekommt, wie viele Kilometer ihr am Tag bereits gefahren seid. Basierend darauf erreicht ihr immer höhere Ränge. Alleine durch das einfache mitzählen der Kilometer ist man durchaus motiviert, noch eben eine Runde zu drehen.

So sieht eine Fahrt mit der Frontkamera aus: Alles im Blick.

Sportsgeist ist gefragt

Im Bereich Sport befindet sich der eigentliche Kern des Spiels, der Online-Modus. Dort ist neben dem Online-Rennen auch der Bereich Live-Berichte zu finden, in dem man sich echre Rennberichte und Videos vergangener Rennen anschauen kann.

Traut man sich den Bereich Rennteilnahme, beginnt auch schon der Ernst des Rennfahrerlebens. Es geht ums gewinnen! Sind wir dort angekommen, werden wir direkt mit einem Hinweis empfangen. “Offizielle Rennen” und “Meisterschaften” werden hier gefahren und gewonnen. Rennen finden täglich statt und es gilt, sich täglich zu verbessern.

Zeige was in dir steckt. Tägliches Rennen oder doch die Meisterschaft?

Neu bei Gran Turismo Sport ist auch die SW-Wertung, die sogenannte Sportsgeistwertung, die man im Verlauf eines Rennen erhält. Ist man rüpelhaft unterwegs und hält sich nicht an die Etikette, gibt es eine schlechtere SW-Wertung und somit Abzüge.

Haben wir diese Flut an Informationen und Erklärungen gemeistert, geht es auch schon um die Wurst. Wir befinden uns im Bildschirm Tägliche Rennen, in dem wir uns in einem Rennen eintragen können, um Online gegen andere Fahrer anzutreten. Haben wir uns für ein Rennen entschieden, kann man sich im Qualifying ein wenig mit dem Auto und der Strecke vertraut machen. Da ein Rennen oftmals noch einige Minuten bis zum offiziellen Start benötigt – Rennen finden rund alle 30 Minuten statt – kann man hier die Zeit sehr sinnvoll nutzen. Ist die Zeit gekommen, wird das Rennen gestartet und man kann im Warm-Up mit den anderen Fahrern Bekanntschaft machen. Hier liefen die Server sehr stabil und auch die Gegner sind bei Fahranfängern sehr gnädig. Selten wird man von den GT Servern mit zu starken Gegnern ins Rennen geworfen. Das Rankings-System funktioniert hier wirklich sehr sinnvoll und gut. Es soll ja auch Spaß machen.

Mit Rohrstock und Peitsche

Aller Anfang ist schwer. Jeder der einmal Online gegen andere Menschen gespielt kennt das: Man ist gerade richtig gut dabei und auf einmal kommt jemand anderes um die Ecke und versaut einem doch glatt den Sieg mit seiner rasanten Fahreinlage. Im schlimmsten Fall landen wir im Sandbett. Sowohl online als auch im echten Leben gibt es dafür einen Begriff: Fair Play. Um bei Gran Turismo Sport überhaupt online antreten zu können, muss man sich zwei Videos anschauen, die einen darüber aufklären wie man sich anderen Fahrern gegenüber verhalten sollte. Dabei wird nicht einfach gezeigt, was man nicht machen wollte, sondern auch genau erklärt, warum es so ist und was es für jemanden bedeutet. Der Eine mag dies übertrieben finden, aber es wird seine Gründe haben. Auch wenn es sich dabei um eine kleine Sache handelt, merkt man hier sofort, dass es dem Entwickler Polyphony Digital sehr ernst ist. Man soll sich richtig verhalten und der Spaß beim spielen muss im Vordergrund stehen. Womöglich sind es genau diese Sachen, die die FIA dazu bewegt haben, dem Spiel seinen Segen zu geben.

Vielfalt mit wenig Möglichkeiten

Gran Turismo Sport beinhaltet rund 20 Kurse, unter anderem mit den lizenzierten Strecken Nordschleife, Suzuka und Brands Hatch. Alte Kurse wie Trial Mountain und Deep Forest haben es leider nicht ins Spiel geschafft, obwohl sie bei Fans bis heute sehr hoch im Kurs stehen. Vergleicht man den Fuhrpark mit seinen Vorgängern wird ebenfalls klar, dass die Auswahl der Fahrzeuge deutlich geringer ausfällt. Wo die Vorgänger noch mit mehreren hunderten Fahrzeugen geprotzt haben, gibt es bei Gran Turismo Sport lediglich 160 Fahrzeuge. Dafür lassen sich jedoch Farben, Motive auf der Karosserie und viele andere Details anpassen, was den Möglichkeiten wieder mehr Platz für Individuelles verschafft.

Für Autonarren hält das Spiel einige nette Spielereihen parat.

Ein Stück Geschichte

Es geht um Autos, und auch dessen Geschichte. Wer Yamauchi kennt weiß, dass der Herr beinahe besessen ist von Autos. Auch das merkt man in diesem Titel einmal mehr. Die Perfektion der Autos sind nur eine Sache, aber auch die Geschichte dahinter sollte nun endlich einen angemessen Platz erhalten. Zu den Fahrzeugen und den Herstellern gibt es ein wahres Museum. Die Entstehungsgeschichte der Autohersteller und deren Autos werden hier mit Bild und Text wunderschön in Szene gesetzt und geben einem das Gefühl, dass das alles viel mehr als nur Fahrvergnügen und Leidenschaft zu sein scheint. Ebenso gibt es im Spiel die sogenannten “Scapes”. Dies sind Schauplätze aus der ganzen Welt, in denen euer Auto angeschaut werden kann. Dabei handelt es sich um ganz normale Fotos, die sehr schön als 3D Fläche adaptiert worden sind. Also einem Foto in dem euer Auto gerendert oder sogar als Video angeschaut werden kann. Eine denkbar einfache wie geniale Lösung für ein großes Problem: Dem Auto eine angemessene Bühne zu schenken. Eine einfache wie tolle Sache.

 

Rennspaß für jeden

Gran Turismo ist vor allem durch die Details, sehr gute Fahrphysik und eine unfassbar große Anzahl an Fahrzeugen bekannt. Mit Gran Turismo Sport wollte man genau diese Tradition fortsetzen – allerdings nicht so verbissen und mehr für die breite Masse geeignet. Es ist also weniger ein Simulator wie damals, sondern eher ein spaßiger und dennoch ernst zu nehmender Online-Rennspaß. Der Fahrspaß steht im Vordergrund, das merkt man von der ersten Minute an. So können Einsteiger und detailverliebte Auto-Enthusiasten sich voll und ganz ausleben. So sind in Gran Turismo viele Details verbaut, die man erst mit der Zeit wirklich wertschätzt. Angaben zum Zustand der Bremsen sind stets als Fahrer sichtbar. Härt der Reifen sind einstellbar, ebenso wie das Fahrwerk und viele andere Dinge. Hier alle Möglichkeiten aufzuführen, würde eindeutig den Rahmen sprengen. Es fehlt jedenfalls an nichts.