TESTS

Onrush

Umschulung für Rennsportprofis

Jan Markus Mäuer · 19. Juni 2018

Evolution Studios ist zurück!…in gewisser Weise.

Nachdem das geplante PlayStation 4 Vorzeigeprojekt Driveclub in einem Desaster aus Verschiebungen, fehlenden Features und Kommunikations-Komplikationen endete (eventuell wurde nach einem halben Dutzend Updates Driveclub zu einem ziemlich guten Spiel, aber zu dem Zeitpunkt war es irgendwie schon zu spät) löste sich Evolution Studios auf. Aber zum Glück fand das Team um Paul Rustchynsky ein neues Zuhause bei den Rennspiel-Experten von Codemasters.

Und so konzentrierte sich das Evolution Team auf alte Stärken und orientierte sich in die Richtung ihrer legendären PlayStation 3 Offroad Serie Motorstorm….außer dass sie das nicht gemacht haben.

Onrush sieht definitiv wie Motorstorm aus: Wildes Offroad-Rasen mit Buggies, Motocrossrädern und Geländewagen in einer breiten bunten Naturlandschaft. Aber auch wenn es so aussieht, es ist kein Rennspiel. Es dreht sich alles um sehr schnelles Fahren, aber der Schnellste zu sein zahlt sich überraschend selten aus….und wenn man zurückfällt, ist man nur einen Knopfdruck davon entfernt wieder mitten im dichten Fahrerfeld zu landen.

Auf der Suche nach einer neuen Art von …Fahrzeug… Spiel trennt sich Onrush weitestgehend von den Regeln, die man aus Rennspielen kennt. Schnell fahren ist weiterhin das wichtigste, aber was die Spielregeln drumherum angeht, hat man sich anderswo umgesehen, genauer gesagt bei den Trends der letzten Jahre im Multiplayerbereich bei Spielen aus allen möglichen anderen Genres. Onrush trägt die DNA von Spielen wie Overwatch, DOTA und Call of Duty…und sicherlich auch ein bisschen was von Spielen wie Motorstorm und Burnout, aber diese streichen hier auf der zweiten Geige.

In der Praxis funktioniert es wie folgt: man hat die Wahl zwischen acht Fahrzeugen mit distinktiven Stärken, Schwächen und Spezialfähigkeiten, die sich allesamt entweder ums “Boosten” drehen, ein Burnout-artiger Dauer-Turbo, der sich mit riskanten Manövern auffüllt oder um das wegrempeln und abdrängen anderer Fahrzeuge. Davon gibt es zwölf, immer in Teams von sechs Spielern, sowie “Futter” Fahrzeugen: Dutzende KI-gesteuerte Fahrzeuge, die stur die Strecke abfahren und bei der kleinsten Berührung spektakulär crashen, damit die “echten” Spieler schnell an mehr Boost kommen.

Es gibt keine Runden und keine Einzelplatzierungen: Sieg und Niederlage eines Teams hängt von den Regeln des Spielmodus ab.

“Countdown” ist noch am ehesten Rennspiel-esque: Hier sind auf der Strecke kleine Tore verteilt, die beim Durchfahren ein paar Sekunden zu dem permanent herunterlaufenden Team Countdown beitragen. Das erste Team dessen Countdown ausläuft, hat verloren. Dagegen steht “Overdrive”, die “Destillation” von Onrush, in dem Boosts und Gegner-Takedowns Punkte bringen, die zu einem Team-Punktstand beitragen, und wer als erstes eine Zielpunktzahl erreicht, gewinnt eine Runde im Match. Weiterhin gibt es “Lockdown”, ein King-of-the-Hill artiger Modus in der eine ständig mobile Zone von einem der Teams erobert werden muss, sowie “Switch”, ein Modus der stark von Call of Duty’s “Gun Game” inspiriert ist. Hier startet jeder mit den schnellen, aber schwachen Motorrädern und verliert bei jedem Crash ein “Leben”, erhält jedoch Zugriff zu schwereren und stärkeren Fahrzeugen.

Jeder Modus trägt grundsätzlich zwei Prioritäten in sich: Schnell fahren, ohne zu crashen, oder dafür sorgen, dass Gegner crashen um den Fortschritt des anderen Teams zu bremsen. Hier kommen wir wieder zu den acht Fahrzeugen zurück. Diese unterscheiden sich weniger durch technische Werte und sind eher als Klassen oder Charaktere zu sehen. Jedes Fahrzeug hat eine Rolle im größeren Team-Spiel und Eigenschaften, die eine bestimmte Spielweise produzieren. Dies eskaliert in dem “Rush”, ein Overwatch artiges Powerup, das sich auflädt und für kurze Zeit nicht nur mehr Boost liefert, sondern auch eine besondere, Fahrzeugeigene Spezialfähigket. So stiehlt einer der Rushes die Boost-Energie umliegender Gegner, während ein anderer den Boost von Teammitgliedern auflädt. Eine der offensiveren Fähigkeiten hat das “Blade” Motorrad: Hier sorgt der Rush dafür, dass das Motorrad eine Lichtmauer hinter sich zieht, mit denen gegnerische Fahrzeuge kollidieren.

 

Diese individuellen Fahrzeuge richtig einzusetzen, ist essentiell für das Spiel. Zwar hindert das Spiel niemanden daran einfach Runde um Runde herunterzurasen, was dank der enormen Spielgeschwindigkeit und dem permanenten Mad Max artigem Chaos auch kurzweilig Spaß macht. Aber dann endet ein Match und das eigene Team gewinnt oder verliert, ohne das man weiß ob und wie man dazu beigetragen hat, was schnell frustrieren kann.

Und auch wenn dies leider etwas ist, dass mit mehr Spielerfahrung immernoch gelegentlich passiert, so ist viel von dem Langzeit-Spaß davon abhängig, das Spiel zu lernen. Schnell zu fahren ist immer eine Grundlage, aber eben nur das: Wer effizient an den Matches beitragen will muss sich an den Fahrstil anpassen, den das jeweilige Fahrzeug erfordert.

Und da es ein reines Team Spiel ist, lohnt es sich auch sich mit seinen Mitspielern zu koordinieren. Hier fällt jedoch Onrush ein wenig flach, denn das Spiel ist so rasant und chaotisch, das echtes Teamspiel oftmals unmöglich scheint.

In Sachen Technik ist Onrush ansprechend, wenn auch irgendwo “verschwendet”: Die Fahrzeuge sind sehr detailliert und die Strecken farbenfroh und mal mehr und mal weniger distinktiv, jedoch nicht ohne coolen Touches, wie regenbogenfarbene ölige Pfützen, befahrbare Satellitenschüsseln oder massive Dämme und Wasserfälle. Aber mit einem so schnellen und so chaotischen Spiel bekommt man ausserhalb des obligatorischen Photo Modus nicht allzuviel vom Look des Spiels mit.

Gameplay ist alles in Onrush. Ausserhalb dessen gibt es nicht allzuviel zu sehen. Neben dem zentralen Multiplayer (der für mich recht problemlos funktionierte, außerhalb von einigen Momenten mit fragwürdiger Kollisionsabfrage) gibt es eine längere Singleplayerkampange, die in der Hauptsache dazu dient, mit individuellen Konfigurationen und Bonus-Aufgaben die Eigenheiten des Spiels zu lehren, aber auch darüber hinaus dank der guten KI Spaß macht.

Abgesehen davon kann man noch Fahrzeuge und Charaktere individualisieren, was man via einer In-Game Währung sowie Lootboxen macht. Beides verdient man ausschließlich im Spiel selbst: Echtes Geld wird nie verlangt. Das ist auch besser so: Allzu unterschiedlich sind die alternativen Kostüme, Tags und Fahrzeuglackierungen leider nicht.