TESTS

Shadow of the Colossus

Viele sind genervt von Remastered-Games. Wie gut, dass das neue Shadow of the Colossus ein Remake und kein Remastered des Originals ist und somit auch Spieler, die das Original nicht kennen, überzeugen wird.

Charles-Christopher Huppert · 24. Februar 2018

Shadow of the Colossus erschien erstmals im Oktober 2005, damals noch für die altehrwürdige PlayStation 2. Durch sein neuartiges und beeindruckendes Konzept konnte es zwar das Gros der Spielerschaft von damals überzeugen, ließ aber ebenso erkennen, dass es als überaus ambitioniertes Projekt womöglich eine Hausnummer zu groß für die PlayStation 2 war. Teilweise mit geschätzten 15 Bildern pro Sekunde ritt Hauptcharakter Wander auf seinem Pferd Agro durch die trostlosen Steppen. Ein wenig Besserung konnte das HD-Remastered schaffen, das 2011 erschien. Allerdings konnte die alte Flamme nicht erneut entfacht werden, sah es doch Anfang der 10er schon ziemlich altbacken aus. Für die meisten war dennoch klar, dass die alte Liebe durch eine völlig neue Version des Originals wiederentdeckt werden kann und so entfachte die Ankündigung des Remakes für die PlayStation 4 große Begeisterung bei den Kennern der Erstversion. Nach dem Spielen können wir sagen: Dieser Ankündigungshype entstand zu recht!

Am Beginn eines einsamen Waldes sitzt Hauptcharakter Wander auf seinem Pferd Agro.

Die Grafik von Shadow of the Colossus wirkt 2018 wieder traumhaft schön und lässt keine berechtigten Wünsche offen. Auf der E3 2015 staunte man schon nicht schlecht über die Bilder, die Hauptcharakter Wander zeigten, wie er über die Wiesen ritt und das Gras durch Agros Geschwindigkeit realistisch hin und her schwing. Nebst jenem Staunen schraubte der erfahrene Zuschauer jedoch in Gedanken an den berüchtigten „Watch Dogs-Trick“ seine Begeisterung wieder herunter und so las man regelmäßig Satzenden wie „(…), aber ob Shadow of the Colossus dann auch in der finalen Version so aussehen wird, bleibt abzuwarten.BluePoint Games schaffte es jedoch, das Angekündigte einzuhalten und brachte uns damit ein Remake von einem der größten Spiele der PlayStation-Ära, dem grafisch nur wenige andere Titel das Wasser reichen können und gewann somit nicht nur Vertrauen der Spieler in die Gaming-Branche zurück.

Eine Armlänge Abstand bekommt bei Shadow of the Colossus eine völlig neue Bedeutung.

Die Atmosphäre zeigt, dass es sich tatsächlich um ein Remake und nicht um ein komplett neues Spiel handelt. Die weiten, offenen Landschaften waren sehr charakteristisch für das Original. Allerdings sahen diese damals noch mangels technischer Möglichkeiten extrem monoton aus. Im Remake sind sie zwar immer noch recht eintönig, aber eben auf einem ganz anderen Niveau. Hohe Bergvorsprünge, tiefe Klippen, Sand- und Waldgebiete sorgen zumindest für ein Minimum an Abwechslung. Belebte Städte und Handelsorte sucht man hier vergebens, ist die Umgebung doch stark durch ins Land gezogene Jahre gezeichnet. Uralte Ruinen lassen nur vermuten, wie es hier früher einst aussah. Diese scheinbar endlose Einsamkeit ist das prägendste Stilmittel, das der Atmosphäre eine bedrückende Stimmung verleiht.

Das Gameplay war schon 2005 ein ganz exklusives: Ungewöhnlicherweise kämpft der Spieler bei Shadow of the Colossus nicht gegen mehrere schnell zu besiegende Gegner, sondern im Grunde besteht das Spiel aus einer Aneinanderreihung von Boss-Kämpfen. Insgesamt 16 Titanen müsst ihr finden und zur Strecke bringen. Diese wirken ob ihrer Größe furchteinflößend wie eh und je. Und hier erkennt man deutlich, was sich in gut zwölf Jahren Videospielentwicklung getan hat. Die Details der Kolosse, insbesondere deren Felle wirken sehr realistisch, flattern im Wind und bieten glaubhaften Halt während der Protagonist an ihnen emporklettert oder sich daran festklammert, während der Gigant versucht euch mit kräftig wirkenden Bewegungen abzuschütteln.

Von der Zeit gezeichnet stehen die Überbleibsel der Vergangenheit in ihren Grundfesten immer noch da.

An der Steuerung, insbesondere der des Pferdes, erkennt man jedoch auch, dass das Original mehr als ein Jahrzehnt auf dem Buckel hat. Denn nach wie vor ist das Handling mit Agro nicht perfekt, teilweise sogar recht ungenau. Filigrane Koordinierungen fallen schwer, was besonders an Orten wie Wäldern auffällt, in denen eine präzise Lenkung trotz hoher Geschwindigkeit kaum möglich ist. Auf den großen Feldern sorgt es hingegen für viel Freude, mit Pferd und Bogen über die Wiesen zu rasen. Die Kameraführung sorgt hier zwar für eine tolle cineastische Darstellung, gelegentlich leider aber auch für Orientierungsprobleme.

Es mag zudem für manche Spieler gewöhnungsbedürftig sein, dass es keine Mini-Map mit einem Dutzend Icons in der Bildschirmecke gibt, der Spieler keine Pflanzen, Münzen oder Waffen sammeln kann oder auch keine punktgenaue Angabe des nächsten Ziels vorgegeben bekommt. Letzteres bedeutet jedoch nicht, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, wo ihr als nächstes hinmüsst. Wenn Wander sein magisches Schwert gen Himmel reißt, zeigen euch viele blaue Lichtstrahlen, in welcher Richtung sich euer nächstes Ziel befindet. Jene Lichtstrahlen komprimieren sich, wenn Wander in die korrekte Himmelsrichtung schaut und weiten sich auf, je weiter ihr euch dieser wegdreht. Aber eine exakte Vorgabe der Route, die ihr reiten müsst, gar mit Entfernungsanzeige, gibt es nicht. Das würde aber auch nicht in die Welt passen, die aus Wander, Agro, eurem Schwert und Bogen, den Kolossen sowie der Natur besteht.

Auch das Verstecken vor dem Giganten macht den Kampf gegen ihn nicht umgänglich.