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State of Mind

Eine dystopische und trotzdem glaubhafte Zukunftsdarstellung, in der es um menschliches Da- und Bewusstsein sowie um den fließenden Übergang in eine absolut digitalisierte Welt geht – State of Mind ist einer der Geheimtipps des Jahres!

Charles-Christopher Huppert · 17. August 2018

Ende der 80er Jahre zeigte Regisseur Robert Zemeckis in Zurück in die Zukunft 2, wie man sich damals die Zukunft, genauer gesagt das Jahr 2015, vorstellte. Wie wir heute wissen, machte die Digitalisierung und die technische Entwicklung in den dazwischenliegenden knapp 30 Jahren zwar große Schritte, jedoch keine solch großen, wie die damals prognostizierten, und wenn, dann in eine andere Richtung. Nur 20 Jahre werden wir Menschen benötigen, soweit es nach Sonys Detroit: Become Human geht, um persönliche Hausandroiden zu haben, die dem Menschen nicht nur optisch makellos ähnlich sind, sondern auch akustisch und emotional einem Menschen (scheinbar) in nichts nachstehen. State of Mind setzt die Handlung im Jahre 2048 an und damit – ähnlich wie Zurück in die Zukunft 2 – genau 30 Jahre nach aktueller Zeit. Auch in dieser Zukunftsvision gibt es Hausroboter und solche Androiden, die tagtägliche Jobs übernehmen und so beispielsweise als Polizisten oder Fabrikarbeiter eingesetzt werden. Selbstfahrende Autos sind ebenso keine Besonderheit. Die Roboter sehen wie Roboter aus und hören sich auch wie Roboter an. Sie haben kein wirklich eigenes Bewusstsein. Dennoch gehen mit ihrer immer relevanter werdenden Existenz enorme gesellschaftspolitische Probleme einher. Nicht nur deswegen wählt State of Mind von allen genannten Beispielen wohl den glaubhaftesten und realistischsten Ansatz für seine Geschichte.

Richard Nolan ist ein bärtiger Mann, 40 Jahre alt, der in Berlin lebt. Nach einem Autounfall in einem sogenannten Cabin Car, kann er sich nicht nur schlecht an kürzlich Geschehenes erinnern. Er muss überdies auch feststellen, dass seine Frau und sein Sohn verschwunden sind. Zur Seite möchte ihm anfangs niemand stehen außer sein ungeliebter Hausroboter, dessen Hilfe er aufgrund seines unüberhörbaren Androidenhasses konsequent ablehnt. Parallel hierzu wacht Adam, im selben Alter, leidet scheinbar auch an einem unfallbedingten Gedächtnisverlust. Er lebt jedoch nicht im dunklen, dreckigen, von Neonlichtern und Reklamebots übersäten Berlin, sondern in der sonnig-hellen City 5, welche zeigt, dass das Jahr 2048 auch durchaus anderes bereithält als triste, dystopische Großstädte und von Arbeitslosigkeit geplagte Bürger. Sehr auffällig ist der Kontrast nicht nur der beiden Umgebungen, sondern auch des Lebens zwischen Adam und Richard. Ob es Zusammenhänge gibt?

Beide Charaktere (und weitere) steuert der Spieler aus der 3rd-Person-Sicht. Dabei kann er die Umgebung untersuchen, mit ihr interagieren und muss Dialoge mit weiteren Personen oder Androiden führen. Diese sind sowohl im Deutschen als auch im Englischen hervorragend vertont. Obgleich euch oftmals verschiedene Dialogoptionen zur Verfügung stehen, wirkt sich eure Entscheidung für eine Antwort nicht merklich auf die Gesamtstory aus. Aber das ist auch nicht weiter schlimm. Nicht jedes Spiel, das Dialoge bereithält, muss auch sein Gewicht hierauf legen. Das, was State of Mind ausmacht, sind die Charaktere, die Geschichte über die Auseinandersetzung des Menschen mit seinem Bewusstsein im Kontext der globalen Digitalisierung. Das Spiel befasst sich mit vielen Fragen über das Menschsein. Der gesellschaftlichen Antwort auf zunehmende und vollumfängliche Überwachung sowie Zensur. Oft geschehen diese Auseinandersetzungen zwischen den Zeilen. So beispielsweise, wenn Adam von einem Androiden gesagt wird, dass seine wichtigste Lebensaufgabe sei, für seinen Sohn da zu sein und sich um ihn zu kümmern – de facto aber jede Verantwortung in bedrückender und aufdrängender Weise von Androiden versucht wird abgenommen zu werden.

Obwohl der Fokus nicht primär auf dem Gameplay liegt, funktioniert State of Mind doch absolut problemlos und wartet hin und wieder mit positiven Überraschungen auf. So muss der Spieler im Verlauf der Geschichte kurze und etwas zu anspruchslose Rätsel lösen, beispielsweise in Form vom korrekten Zusammensetzen einzelner Informationsfragmente. Ein mit etwaigen Konsequenzen behaftetes Scheitern ist dabei jedoch nicht möglich. Das Steuern einer Drohne durch einen belebten Club, um eine konkrete Person ausfindig zu machen und hierfür allerlei Menschen scannen zu können, um Informationen über sie zu erhalten, funktioniert auch prima. Dem Druck eines möglichen Versagens unterliegt man auch hier wiederum nicht, da es weder ein Zeitlimit noch eine maximale Anzahl von Scanversuchen gibt. Trotzdem bringen diese Abweichungen vom gewohnten Gameplay schöne Abwechslung in die Spielerfahrung ein.

Grafisch setzt State of Mind auf eine sogenannten Low-Poly-Optik, in der die Texturen sehr kantig gestaltet sind, dies aber eine ganz eigene Atmosphäre schafft. Natürlich erlebt man keine Texturen und Animationen, welche die Realität schon fast in Griffweite haben. Dennoch wirkt der Stil stimmig im Kontext der Gesamtgeschichte. Er ist vielseitig einsetzbar, was man auch hier wieder sieht. Trotzdem sieht die Umgebung, wenn man nicht gerade sehr nah an die einzelnen Gegenstände herangeht, sehr realistisch und optisch hochwertig aus. Auch all diejenigen, die nur grafisch anspruchsvolle Spiele suchen, sollten sich von State of Mind also nicht abgeschreckt fühlen. Die gesamte Atmosphäre des Spiels ist einzigartig, welche vor allem durch die stimmige Musik eine in sich geschlossen und glaubhafte Welt kreiert. Mag man zu Beginn noch etwas die Spannung suchen, so wird diese den Spieler ummanteln, sobald er zu erkennen glaubt, wohin der Storypfad führen wird. Wir testeten das Spiel auf dem PC.