TESTS

Thimbleweed Park

Das Kickstarter-Projekt Thimbleweed Park ist nun auch auf Nintendos Hybriden erschienen. Wir finden heraus ob das Spiel auch an die Klasse der alten LucasArts-Adventures heranreicht.

David Hahn · 3. Oktober 2017

Endlich ist es soweit! Das Adventure von Altmeister Ron Gilbert (Monkey Island, Maniac Mansion und Zak McKracken) ist nach Umsetzungen auf allen aktuellen Systemen nun auch auf der Nintendo Switch gelandet.

Grund genug einen (verspäteten) Blick in das erfolgreich finanzierte Kickstarter-Adventure zu werfen, dass sich nach Ron´s Intention so anfühlen soll wie ein seit zwei Jahrzehnten in der Schublade vergessenes LucasArts-Adventure.

Wir schreiben das Jahr 1987. Im verschlafenen Kleinstädtchen Thimbleweed Park ist die Leiche einer unbekannten Person aufgetaucht. Der Spieler schlüpft in die Rolle der FBI Agenten Angela Ray und Antonio Reyes, die in die Kleinstadt geschickt wurden, um den Fall aufzuklären. Bereits früh im Spiel merkt man, dass etwas in Thimbleweed Park nicht stimmt und dass dies kein normaler Mordfall wird. In Thimbleweed Park tummeln sich allerhand kurioser Gestalten, vom örtlichen Sheriff mit Ned Flanders Sprachfehler, der ein Zwilling des Pathologen zu sein scheint, über die Klempner Schwestern namens „Pidgeon Brothers“, die ausschließlich in Taubenkostümen rumlaufen. Einen Moment mal… zwei Schwestern, die „Pidgeon Brothers“ heißen? Das Spiel liefert hierfür natürlich eine Erklärung die genauso absurd ist, wie die Szenerie an sich.

Ehrlich gesagt bin ich immer noch nicht sicher ob ich diese Situation zum Schmunzeln oder Gruseln finden soll.

Der absurde Humor im Stile der alten LucasArts-Adventures ist auch das erste, was man erwähnen sollte. Dieser kommt wahrlich nicht zu kurz und sollte die Erwartungshaltung von Fans von Ron Gilberts alten Spielen definitiv nicht enttäuschen. Das Adventure nimmt zwischenzeitlich durchaus dunklere Töne eines Twin Peaks an, bleibt aber seinen durchgeknallten Dialogen und abgedrehten Humor treu. Garniert wird dies mit einer guten Fülle Anspielungen an die Popkultur sowie anderer Adventure-Titel, zumeist LucasArts-Adventures (inklusive einer Hommage an der Adventureschmiede selbst) und natürlich den 80er Jahren. Dialog-Optionen wie zum Beispiel „Ich verkaufe diese Lederjacke“ sollte zumindest alle Fans des Genres zum schmunzeln bringen!

Die grafische Gestaltung bleibt der Intention, ein Adventure von damals zu erleben, insgesamt treu. Das Spiel, welches sich vom Design stark an Maniac Mansion und Zak McKracken orientiert hätte fast genauso gut 1992 erscheinen können. Die Einschränkung „fast“, da die ordentliche 16-Bit-Grafik einen (winzig kleinen) Sprung zu damals zeigt. Die Ortschaft Thimbleweed präsentiert sich in satten, liebevoll gezeichneten Grafiken, die bewusst den Oldschool-Charme mit fetten Pixeln und Kanten folgt. So sehr ich als alter 16-Bit-Liebhaber dies auch abfeiere, so hätten optionale Filteroptionen wohl kaum geschadet, um es auch für weniger Retroaffine attraktiver zu machen. Aber sei’s drum. Man merkt definitiv die Liebe, die in die Präsentation reingesteckt wurde und im Handheld-Modus wirkt der Pixellook noch ein Stück passender und angenehmer als auf dem großen TV Screen.

Überhaupt empfinde ich den Handheld-Modus der Switch und das Spiel wie für einander geschaffen. Die Controller-Steuerung ist vorbildlich gelöst. Nach einer kurzen Eingewöhnung und dem merken von ein, zwei Tastenkürzeln lässt sich das Spiel flüssig und komfortabel bedienen, wenn auch natürlich nicht ganz so bequem wie es eben auf dem PC mit Maus und Tastatur ist. Im Handheld-(und natürlich auch Tabletop-)Modus der Switch vereint das Spiel aber Controller-Steuerung der anderen Konsolen mit der Touchscreen Steuerung der iOS-Version. Ich habe mich mehr als einmal erwischt wie ich beide Steuerungsvarianten parallel genutzt habe, je nachdem wie es mir gerade am gemütlichsten erschien. Neben der Maussteuerung definitiv die beste Variante. Wenn man Interesse hat, das Spiel mobil zu spielen würde ich sogar sagen, dass die Switch Version damit die empfehlenswerteste Version ist, zumal grafisch, bedingt durch den Stil, auch keine Unterschiede zu den anderen Versionen herrscht.

Wenn man ein Verb ausgewählt hat, kann man damit mit den Hotspots der Umgebung interagieren.

Gesteuert wird mit dem seit Maniac Mansion genutztem Verbensystem, also einer eigens erstellten Version der damaligen SCUMM-Engine (Script creation utility for maniac mansion). Es ist letztendlich nichts anderes als ein Parser eines Textadventures. Unten hat man verschiedene Verben wie „Schaue“ oder „Nehme“. Diese setzt man auf diverse Hotspots innerhalb der Umgebung ein und rechts unten ist das Inventar. Mit den Gegenständen dort interagiert man genauso wie mit den Hotspots. Wenn Ihr zum Beispiel die am Anfang erwähnte Leiche mit einer im Inventar befindlichen Kamera fotografieren wollt. Dann würde das so aussehen „Nutze“ „Kamera“ mit „Leiche“. Klingt simpel und so ist es auch. Textadventures funktionierten damals auch auf diese Weise, nicht ohne Grund war diese für den Durchbruch der Point-and-Click-Adventures verantwortlich.

Abgesehen vom witzigen Journey of a Roach ist mein letztes Point-and-Click-Adventure ein paar Jährchen her, weshalb ich am Anfang bei der Auswahl der beiden Schwierigkeitsgrade tatsächlich den Gemütlichen Modus und damit den leichteren von zwei Modi gewählt habe. Ich kann definitiv jedem empfehlen, den es ähnlich geht, es genauso zu machen. Man kommt in diesen Modus zwar gut voran, dies ist aber auch kein Spaziergang und hat eine angenehme Lernkurve, bei der man hier und da auch mal um die Ecke denken muss. Die Spielzeit lag bei mir bei etwa 10 Stunden für den leichteren Durchgang und ist sicher auch ein bis zwei Stunden schneller zu lösen. Hier nochmal eine Warnung auf das Genre bezogen: Auch wenn ihr partout nicht weiter kommt, versucht so gut es geht auf Mutter Google zu verzichten. Ein Adventure lebt davon, dass ihr selbst auf die Lösung kommt. Eine Komplettlösung versaut euch nur das Spiel. Hier hat Thimbleweed Park aber eine interessante Lösung: An verschiedenen Stellen im Spiel hängen Telefonschnipsel mit der Nummer für die Hilfehotline (4486). Dort könnt ihr in Dialogoptionen Tipps fürs weiterkommen erfragen. Das schöne daran ist, dass man nicht stumpf die Lösung vorgesagt bekommt sondern spiel intern versuchen will, euch selbst zu helfen. Ein sehr kreatives vorgehen und generell eine wunderbare Idee fürs Genre!

Für all jene erbärmliche Geschöpfe, die doch tatsächlich ein Leben abseits von Adventures haben, ist der Casual Modus gedacht.

Im höheren Schwierigkeitsgrad werden nicht nur die Rätsel komplexer sondern es kommen noch ein Haufen neuer Kopfnüsse inklusive vieler neuer Gebiete dazu! Dies erhöht nicht nur die Spielzeit, sondern motiviert auch zum erneuten Durchspielen wenn man sich beim ersten Versuch für den leichteren Schwierigkeitsgrad entschieden hat.

Generell sind die Rätsel des Spiels extrem gut designt, haben einen guten Anspruch und fügen sich fast durchgehend in die Spielwelt ein.

Nicht nur das die roten Heringe schon eine super Hommage ans Genre sind. Der weg zu diesen im schwierigen Modus ist für Kenner alter LucasArts Spiele ein Highlight!

Im Laufe des Spiels habt ihr insgesamt Zugriff auf fünf verschiedene Charaktere, die jederzeit auf Tastendruck (oder per Touchscreen) gewechselt werden können. Dies bietet nicht nur Abwechslung in den Dialogen, die sich im Gegensatz zu denen der beiden Agenten kaum ähneln. Man kann abgesehen von einigen für die Charaktere exklusive Aufgaben parallel an verschiedenen Punkten der Spielwelt gleichzeitig vorankommen und vor allem das Backtracking reduzieren. Es gibt auch Rätsel, die nur durch Zusammenarbeit der verschiedenen Charaktere lösbar sind. Zum Beispiel kann ein Charakter mit Polizeifunk eine Person weglocken, damit einer der Agenten eine Karte stibitzen kann, oder ein Charakter hat Zugriff auf ein Telefon und eine anderer auf ein Telefonbuch. Diese Rätsel sind aus Spielersicht nachvollziehbar und zwingen hier und da auch etwas um die Ecke zu denken, scheinen beim Spielen wiederum allerdings zunächst nicht in die innere Logik der Spielwelt zu passen. Die spielbaren Figuren sind insgesamt inhaltlich auch nur sehr oberflächlich miteinander verbunden, weshalb insbesondere bei den Beziehungen zwischen den Charakteren weit mehr drin gewesen wäre. Zudem muss ich zugeben, dass dem Spiel zumindest im gemütlichen Modus den Wegfall oder vielleicht eine strengere Kürzung eines Charakters gut getan hätte – trotz dessen dieser sich angenehm von dem Rest der Truppe unterscheidet – schien dieser in seinen Handlungen zu stark eingeschränkt und musste die meiste Zeit ohnehin auf bestimmte Storyverläufe warten, weshalb man bei Lösungssuchen immer wieder mit ihm Zeit verschwendet hatte.

 

Zum Thema Spielwelt sei nochmal Kurz auf die Kickstarter-Kampagne eingegangen. So konnten ungefähr 3000 Backer nicht nur im Telefonbuch erfasst werden und eine eigene Nachricht des Anrufbeantworters einsprechen. Hier hat man nebenbei auch festgestellt, dass Tim Schafers Aussage Adventures seien überall tot außer in Deutschland, die er bei seiner Broken Age Kickstarter-Kampagne getätigt hat, wohl nicht soweit hergeholt war – so viele deutsch klingende Namen und deutschsprachige Nachrichten, wie sich im Spiel befinden. Nicht nur das, auch in der Bücherei des Anwesens hat fast jedes Buch Inhalt von einem Kickstarter-Backer geschenkt bekommen. Erinnerungen an selige The Elder Scrolls-Lesestunden wurden geweckt!