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Wait – Extended

Die Produkte der RPG Maker-Reihe von Degica sind äußerst beliebt und ihrem Namen entgegen suggerieren sie Spieleautoren doch immer wieder, dass man damit allerhand anderes als nur Rollenspiele erstellen kann. Eine beliebte Nische, in die geschlagen wird, sind Horror-Adventures, für die das Rahmenwerk alles bereitstellt, was benötigt wird (de facto müssen oft Menüs aufwändig entfernt […]

Dawid Gryndzieluk · 6. November 2015

Die Produkte der RPG Maker-Reihe von Degica sind äußerst beliebt und ihrem Namen entgegen suggerieren sie Spieleautoren doch immer wieder, dass man damit allerhand anderes als nur Rollenspiele erstellen kann. Eine beliebte Nische, in die geschlagen wird, sind Horror-Adventures, für die das Rahmenwerk alles bereitstellt, was benötigt wird (de facto müssen oft Menüs aufwändig entfernt werden, um die Atmosphäre nicht zu stören).

Wait – Extended ist einer dieser Titel und er hat eine interessante Entstehungsgeschichte: Im Rahmen des 2014 erstmals veranstalteten Indie Game Maker Contest erblickte Wait (damals noch ohne den Zusatz „Extended“) das Licht der Welt (Ich nahm auch Teil, konnte aber mangels Fähigkeit nichts einreichen , Anm. d. Red.). Zu den Grundregeln des Wettbewerbs gehörte, dass nur die ersten 60 Minuten Gameplay bewertet werden und das merkt man dem Titel auch an, doch für das kommerzielle Release fand man eine elegante Lösung; dazu später mehr. Obwohl Wait keinen Preis gewinnen konnte, hielten die Entwickler an dem Titel fest und brachten etwa ein Jahr später als Studio rest.less Games die verfeinerte Version Wait – Extended auf Steam heraus.

Wait – Extended beschreibt sich selbst als von Silent Hill und Howard Phillips Lovecraft inspiriert, ohne im Kanon des letzteren zu spielen. Trotzdem ließ man es sich nicht nehmen, ein Portrait des Altvaters und seiner berühmtesten Monstrosität in stark verpixelter Fassung aufzuhängen. Dass Wait – Extended sich an diesen beiden Größen des Horrors orientiert, ist kaum von der Hand zu weisen. Subtiler Horror wird mit mal mehr, mal weniger knackigen Rätseln kombiniert und eine Atmosphäre der Bedrohung wird entwickelt, ohne sich wie in modernem „Horror“ durch Heerscharen von Abominationen ballern zu müssen. Ganz besonders wird schnell klar: Man ist nicht allein, irgendwas schaut einem stets auf die Finger.

Während der geneigte Lovecraft-Fan durchaus erraten mag, wohin die Reise geht, kann ich nur löblich hervorheben, dass Atmosphäre die Stärke von Wait – Extended ist. Obgleich zwar RPG Maker-typisch der Charakter und seine Umwelt im Chibi-Stil dargestellt werden (etwas, das viele abschrecken mag), bekam man es mithilfe der Beleuchtungsengine von Khas und einem sehr schönen Soundtrack hin, darüber hinwegzutäuschen, dass man ein Spiel in einer Engine vor sich hat, die vor allem für flashy Rollenspiele mit reichlich Pew Pew und flachem Plot bekannt ist.

Gameplaytechnisch bewegt sich Wait – Extended im Bereich explorativer Adventures. Für gewöhnlich wird man in einen Raum oder Raumkomplex geworfen, in dem man möglichst alle Objekte ausprobieren sollte, um fortschreiten zu können. Es beharkt den Spieler mit Daten und Zusammenhängen und offen gesagt weiß ich nicht, wann ich zuletzt beim Spielen schriftliche Notizen auf einem analogen Blatt Papier gemacht habe. Bei meinem ersten Playthrough entsanden etwa drei Seiten Handschrift: Informationsfetzen, Zahlen, Daten und Rätselfragmente.

Über den Plot möchte ich gar nicht viele Worte verlieren, da Spoiler äußerst unangemessen wären. Man spielt einen jungen Herrn, der an seiner Wohnzimmerwand vor einiger Zeit eine rätselhafte Zahlenkombination fand und dessen Leben schon sehr bald von diesen Ziffern bestimmt wird. Ähnlich wie im bereits genannten Silent Hill wechseln sich alptraumhafte Szenen, die in einer veränderten Realität stattfinden, mit der tristen Wirklichkeit eines gestressten Büroangestellten ab. Schnell stellt man fest, dass man nicht alleine ist und dass Mächte älter als die Menschheit am Werk sind und warten. Dadurch bewegt sich Wait – Extended irgendwo zwischen Cthulhu-Fanfiction und etwas ganz eigenem, das nur vom Altmeister Lovecraft borgt. Man merkt dem Titel jedenfalls laufend an, dass die Autoren sich über die Lore Gedanken gemacht haben und Fetzen hinstreuen, wo sie nur können. Das macht es zu einer wahren Freude, mit allen Objekten zu interagieren, da man häppchenweise ein Gesamtbild der Hintergründe entwirft.

Leider ist der ganze Spaß nach etwa 1,5 Stunden auch vorbei – möchte man meinen. Doch Wait – Extended kann mit fünf Enden aufwarten, für die man sich tatsächlich anstrengen muss. Es ist nicht so, dass man fünf Mal dasselbe Spiel vor sich hat; der Handlungsablauf ändert sich dramatisch, sobald man den Plot einmal beendet hat. Leider war ich bislang unfähig, alle Enden zu finden, daher weiß ich, dass Tüftler ihre Freude mit diesem Titel haben werden.

Wait – Extended kostet 7,99 Euro oder 9,99 samt lohnendem Soundtrack und kann über Steam bezogen werden. Der Wiederspielwert ist für einen so kompakten Titel erstaunlich hoch und bietet mit jedem Playthrough Neues. Leider ist die Menge an Spielern, die ablehnend dem Chibi-Stil gegenüberstehen, recht groß, da sie womöglich zu viel RPG Maker Trash gesehen haben. Ich selbst würde mich zu dieser Personengruppe zählen, kann aber trotz allem meine Empfehlung aussprechen. Chibi hin oder her, Wait – Extended schafft es, dass man sich gar nicht darum schert, dass der Hauptcharakter eigentlich viel zu niedlich für ein düsteres Horrorszenario wirkt. Wer cthuloide Spiele (eine seltene Nische) liebt, der sollte den Kauf ohnehin erwägen, denn atmosphärisch wird man voll bedient.