TESTS

Windjammers

Flugscheiben-Sommer ’94

Jan Markus Mäuer · 8. September 2017

Windjammers hat eine sonderbare Geschichte. Als es 1994 für Neo Geo (sowohl daheim als auch in Spielhallen) erschien, ging es durch mäßige Reviews und weniger Appeal als spektakuläre Beat ‘em Ups sowie den ersten Schritten in Richtung 3D Grafik schnell in der Menge unter.

Doch in den 2000er Jahren gewann es unerwarteten Aufschwung. Reviews und Berichte von Emulator-Enthusiasten und Retro-Sammlern sprachen von einem Multiplayer-Geheimtipp und einem potenziellen Kult-Klassiker. Doch besonders in den letzten fünf Jahren erreichte das Spiel die Spitze seiner Popularität: In den USA machte die Videospiel-Webseite Giant Bomb in diversen Livestreams bekannt und züchtete eine Gruppe fanatischer Liebhaber, unter anderem populäre WWE-Wrestler wie Austin Creed und Xavier Woods, die fortan hauptsächlich diverse Sony-Mitarbeiter konstant bezüglich eines Ports oder eines Remakes nervten. Die E-Sport-Krönung folgte in diesem Jahr als Windjammers als eines der Spiele in den EVO-Meisterschaften aufgenommen wurde. Doch auch in Frankreich bildete sich eine Fangemeinde, die das Spiel autonom in einen Kultstatus erhoben haben und zu einem prominenten Titel der lokalen E-Sport-Szene machten.

Und so kooperierte schlussendlich Sony mit den französischen Emulations- und Port-Experten von DotEmu und bringt nun den ersten offiziellen Port von Windjammers nach Europa und in die USA für PlayStation 4 und PlayStation Vita.

Doch was ist Windjammers? Kurz gesagt, Pong, designt als eine Art Frisbee- (beziehungsweise Flying Disc; Frisbee ist ein eingetragenes Warenzeichen und so weiter und so fort) -Tennis-Hybrid, das von 90er-Style trieft. Doch ist ein bisschen mehr dahinter. Mit diversen Charakteren, Supermoves, Arenen mit unterschiedlichen Eigenheiten und einem elaborierten Punktesystem, ganz zu schweigen von einer superhektischen Spielgeschwindigkeit.

Und wie es sich für ein NeoGeo-Spiel gehört, präsentiert sich das Spiel mit bulligen großen Spielcharakteren, blecherner Sprachausgabe, buntem Design, detailreichen Animationen und einer “Coolness”, die halt eben sehr 90ies ist. Aber so unterhaltsam und albern das ist (der deutsche Charakter “Klaus Wessel” ist von vornherein meine erste Wahl, weil seine kontextlosen deutschen Phrasen so putzig sind… Raketenwurf!), die Beach-Volleyball-Atmosphäre des Spiels hat eine eigene freundliche Wärme, mit einem “blauer Himmel, Sonnenschein”-Look, der an SEGA-Arcade-Titel erinnert.

Betrachtet man das Gameplay selbst, wird bewusst, warum das Spiel so späte Popularität gewonnen hat: Es ist ein Spiel, das sehr schnell zu verstehen ist, egal ob man es spielt oder zuschaut und welches im Grundkonzept sehr simpel ist (Pong halt?), aber mit der Geschwindigkeit, den Moves und den teilweise chaotischen Eigenheiten der Arenen kann man wirklich Zeit investieren, in dem Spiel echt gut zu werden. Achja, und Freud- und Frustschreie sind wahrscheinlich. Kurzum: Es passt trotz einem Alter von über 20 Jahren sehr gut in die Reihe relativ aktueller Indie-Couch-Multiplayer-Titel wie Towerfall, Divekick, Nidhogg oder Gang Beasts.

Der Port von DotEmu ist alles in allem solide. Das Drumherum des Spiels wurde mit einem farbenfroh nostalgischen HD-Menü ausgestattet, es gibt eine ausführliche Spielanleitung und nebst der Möglichkeit, den Spielscreen auf 16:9-Format zu strecken, ein paar ganz gute Filter-Optionen und einen etwas albernen CRT-Modus, der den Screen ins Röhrenfernseher-Format verformt.
Lokal gibt es einen Arcade-Modus mit je nach Schwierigkeitsgrad überraschend herausfordernden KI-Gegnern, selbstverständlich einen Multiplayer sowie eine Möglichkeit, die Minispiele des Arcade-Modus separat zu spielen. An sich eine nette Option, sowohl das Mini-Sidescroll-Jump ’n Run, mit dem man als Hund einen Frisbee fangen muss sowie “Flying Disc Bowling”, machen überraschend viel Spaß, jedoch haben in den separaten Modi beide Spiele ein so enges allgemeines Zeitlimit, dass sie nahezu unspielbar sind. Schade.

Wirklich der zentrale Appeal dieses Ports ist jedoch der Online-Multiplayer, der mit simplen Matchmaking, Ranked Matches und privatem Matchmaking daherkommt. Und, ja: Im Bestfall funktioniert alles ganz gut, fühlt sich kaum anders als ein lokales Spiel an und hatte bereits zum Launch viele Spieler. Leider jedoch hatte ich noch zu oft Momente, die nicht “der Bestfall” sind. Gelegentlich brechen Matches ab, bevor sie starten, ohne Info, was passiert ist und trotz lt-Anzeige gutem Ping hatte ich Spiele mit exzessivem Lag gespielt, der sich als Slowdowns und Stottern bemerkbar macht und Windjammers fast unspielbar und auf jeden Fall sehr frustrierend macht. DotEmu scheint sehr engagiert zu sein, hier nachzuschrauben. Zum Release-Zeitpunkt wurde das Spiel bereits zwei Mal gepatched. Doch bleibt zu hoffen, dass hier etwas perfekteres am Ende herauskommt.