TESTS

Yakuza 0

Yakuza oder auch Ryo Ga Gotoku gibt sich erstmals das Stelldichein auf der PlayStation 4. Erreicht das Prequel die Stärken der Vorgänger oder ist es nur ein schwacher Aufguss der vorigen Teile?

Lucas Rau · 12. Februar 2017

„I can take another name and build a new life. But on the inside I’ll always have that instinct, no matter how much I hate it. I’m yakuza through and through. Guile only gets you so far in this game. Remember that. You won’t get another chance.“

– Kazuma Kiryu, Yakuza 5

Durch und durch Yakuza. Im mittlerweile siebten Teil der Reihe kann Kazuma Kiryu dies noch nicht von sich behaupten. Bevor er der Drache von Dojima und ehemaliger vierter Vorsitzender des Tojo Clans wurde, erlebt ihr die Geschichte eines 20-jährigen Jungspundes, der gerade die ersten Schritte in der Dojima-Familie macht.

Das Prequel ist im Dezember 1988 angesiedelt. In einer Zeit wo das Geld noch auf Bäumen wuchs, in welcher der Yen sich in nur einem Jahr verdoppelte und noch lange bevor Goro Majima als Verrückter Hund von Shimano bekannt wurde.

Wieder betretet ihr Tokyos fiktives Stadt- und Vergnügungsviertel Kamurocho, welches dem Viertel Kabukichō in Shinjuku nachempfunden wurde. Der junge und unerfahrene Kiryu wird für ein Verbrechen beschuldigt, welches er nicht begangen hat und macht sich auf den Weg seinen Namen wieder reinzuwaschen. Im Viertel Sotenbori, schlüpft ihr in die Haut von Goro Majima, welcher mit dem The Grand einen erfolgreiches Cabaret betreibt. Nachdem er den Anweisungen seines Bosses Futoshi Shimano nicht folge leistete, fristet er nun ein Gefangenendasein in Osaka. Mit allen Mitteln will er wieder richtiges Mitglied seiner Familie werden, als er jedoch auf eine Mordmission geschickt wird, ändert sich alles.

Damit ist der Titel perfekt als Einstieg für Serienneulinge, aber auch Kennern wird eine außergewöhnliche Erfahrung geboten. Dies bezieht sich natürlich augenfällig auf die Geschichte. Für Grünschnäbel wird ein Szenario geschaffen, welches leicht zu verstehen ist, ohne mit einer zu komplexen – mit anderen Teilen verknüpften – Handlung aufzuwarten. Kenner sehen Schlüsselfiguren aus den anderen Teilen in unbekannten Rollen und mit anderen Charaktereigenschaften.

Trotzdem bietet das Gangsterdrama eine reife Geschichte im Yakuza Milieu, mit vielen Irrungen und Wirrungen. Auch ist sie wesentlich bodenständiger und überzeugender als es in Teil vier und fünf der Fall war. Die Substories dagegen glänzen wieder mit Humor und absurden Begebenheiten.

Nicht ganz unschuldig an der überzeugenden und packenden Erzählung ist die hervorragende japanische Synchronisation. Die Schauspieler holen hier das Beste vom Besten raus und überzeugen mit einer Bandbreite an Emotionen, die ich in Videospielen sonst selten erlebe. Mit Ausnahme der Synchro, ist Yakuza 0 komplett in Englisch lokalisiert, deutsche Untertitel gibt es nicht.

Kazuma Kiryu, Beruf: Yakuza-Frischling

Auch die unfassbar lebendigen Stadtteile versprühen einen Charme und glänzen mit einer ungemeinen Detailverliebtheit. Unzählige Nebenaktivitäten verleihen der Welt eine außerordentliche Tiefe, die man sonst nur in Open World Spielen wie The Witcher 3 oder Grand Theft Auto V findet. Mit einer Spieldauer von gut 30 Stunden bei der Hauptgeschichte alleine, kommt locker nochmals das doppelte an Spielzeit durch die vielen Beschäftigungsmöglichkeiten zusammen. Aktivitäten wie die Baseball Batting Arena, Darts, Billard, Karaoke, Bowling, verschiedene Sega Klassiker zum Spielen in der Arcade-Halle, RC-Car Rennen und etliches mehr werden euch lange in die Welt von Kamurocho und Sotenbori ziehen.

Weiterhin stehen Kiryu und Majima je ein großes Minispiel zur Verfügung. Bei Ersterem handelt es sich um ein Immobilienspiel, in welchem es um die Herrschaft der Stadt geht. Ihr könnt euch bei Geschäften einkaufen und dann sowohl Manager als auch Security organisieren, um im Endeffekt viel Kohle zu machen. Das Ziel ist es die fünf Milliardäre – welche den Großteil der Immobilien besitzen – aus der Stadt zu vertreiben.

Majima darf einem schwächelndem Hostessen-/Cabaret-Club wieder auf die Beine helfen, indem neue Frauen in der Stadt gescoutet werden. Im Micromanagement-Teil müsst ihr dann den kommenden Gästen Frauen je nach Präferenz zuweisen. Dabei verdient ihr nicht nur eine Menge Geld, sondern steigert auch die Berühmtheit eures kleinen Clubs.

Goro Majima ist der Betreiber des The Grand – einem Cabaret in Osakas Sotenbori.

Langweilen euch diese Aktivitäten, gibt es zudem eine ungeheure Menge an Nebenmissionen. Diese könnt ihr nun auch nicht mehr verpassen, da sie jederzeit verfügbar sind, sobald ihr sie freigeschaltet habt.

Natürlich kehrt auch der beliebte Premium Adventure Mode zurück, um nach der Hauptstory die letzten unerledigten Dinge anzugehen. Statt eines klassischen New Game Plus, könnt ihr einen Spielstand laden, mit welchem ihr das Spiel bereits beendet habt und frei durch die Stadt ziehen, um nach Lust und Laune den Unmengen an Aktivitäten und Substories nachzugehen oder einfach ein paar Gegner zu vermöbeln.

Dafür bietet euch Yakuza 0 ein leicht überarbeitetes Kampfsystem, mit den klassischen Combos und Heat-Moves über Viereck und Dreieck. Statt mehreren Charakteren in den vorigen Teilen, bieten Kiryu und Majima nun je drei verschiedene Kampfstile. Dabei sind die Stile unterschiedlich genug, um dem Spiel zu verzeihen, dass es nur noch zwei spielbare Charaktere gibt. Kiryus Brawler ist der bekannte Standardkampfstil mit Tritten, Schlägen, Griffen und Würfen. Der neue Beast-Stil ist brachial, setzt auf rohe Gewalt und lässt euch viel Schaden aushalten. Flinke Yakuzas bevorzugen den Rush-Kampfstil, der auf viele schnelle Schläge und agiles Ausweichen setzt.

Auf Majimas Seite habt ihr mehr oder weniger ähnliche Stile, wobei der Breaker ganz besonders heraussticht. Spins, Twists und Steps aus dem Breakdance-Bereich wurden im Kampfstill inkorporiert, um Gegner besonders glanzvoll auszuschalten.

Streitigkeiten werden in Yakuza ganz altmodisch mit den Fäusten gelöst.

Mein einziger Wermutstropfen ist, dass es zeitlich zu lange dauert, bis man genug Geld gesammelt hat, um die starken Fähigkeiten im Fertigkeitenfenster freizuschalten. Dies geht in Yakuza 0 übrigens nicht mehr mit Punkten, sondern wird nun mit Geld gemacht. Und das wird später verdammt teuer. So kosten die letzten Skills auch mal gut 400,000,000 Yen. Man investiert also mit dem Geld in sich selbst, wie es zu Beginn einer der Charaktere so schön ausdrückt. Dies ist allerdings unabdingbar, da die Gegner im Spielverlauf immer stärker und schwerer werden. Fähigkeiten freischalten sowie Heat-Moves und Combos richtig einsetzen ist das A und O.

Die Technik auf der Playstation 4 ist hervorragend. Es gibt zwar vereinzelt Ruckler, zum Großteil läuft Yakuza 0 aber absolut flüssig und mit 60 Bildern pro Sekunde. Vor allem bei den Kämpfen ist das eine wahre Augenfreude. Die Ingame-Graphik ist in Ordnung, aber nichts bahnbrechendes oder außergewöhnliches. Man sieht dem Titel den Port durchaus an. Die von Länge und Ausmaß an Metal Gear Solid anlehnenden Cutscenes hingegen sind erstklassig. Selbst kleinste Gesichtsunreinheiten und Details kann man erkennen. Eins ist klar: Der Fotorealismus ist – zumindest in den vorgerenderten Zwischensequenzen – nicht mehr weit entfernt. Ein richtiges Next-Gen Yakuza werden wir aber bald mit Teil sechs erleben dürfen, welches Ende letzten Jahres in Japan erschien und Anfang 2018 auch zu uns in den Westen kommen soll.