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Warcraft: The Beginning – Kritik an den Kritiken

FIlmumsetzungen von Spielen taugen nichts, zumindest wenn man Kritikern glaubt. Dass das nicht immer gerechtfertigt ist, sollte klar sein.

Ronja Stobrawe · 31. Mai 2016

Dem Großteil derjenigen, die sich viel mit Videospielen beschäftigen, fallen zu dem Stichwort „Filmadaptionen“ von ebendiesen vermutlich auf Anhieb einige Negativbeispiele ein. Positivbeispiele sind in dieser Sparte so spärlich gesät, dass in Diskussionen zu diesem Thema (übertreibender Weise) von einem „Fluch“ gesprochen wird – es soll wohl einfach nicht sein. Mit dieser Einstellung vorprogrammiert scheinen auch einige Kritiker größerer (Gaming)-Magazine zur neuesten Spiel-Verfilmung ins Kino gegangen zu sein. Die Rede ist von Blizzards Warcraft: The Beginning – beziehungsweise dessen Kritiken. Ich gehöre sicher nicht zu den Ersten, die in den Genuss dieses Filmes gekommen sind, schließlich kursieren schon einige Rezensionen dazu im Netz. Darum biete ich euch hier stattdessen eine Kritik über die Kritiken, deren Verfasser den Film offensichtlich mit verschlossenen Augen und Ohren angesehen haben.

Würde es sich bei Warcraft: The Beginning um die von einem Indie-Studio produzierte Filmadaption eines Sparten-Videospiels handeln, wären Rezensionen mit Überschriften wie von Kotaku („The Warcraft Movie Is Not Good“) oder Computer Bild Spiele („Warcraft-Filmkritik: Enttäuschung in Azeroth“) tödlich gewesen. Blizzard sei dank ist deren Fangemeinde jedoch so groß, dass es wohl kaum jemanden interessiert oder vom Kinobesuch abgehalten haben dürfte. Allgemein scheinen die Reaktionen englischsprachiger Kritiker nicht sonderlich gut auszufallen, während deutschsprachige sich eher im soliden „ist ganz nett“-Mittelfeld versammeln.

Doch was wird inhaltlich kritisiert, dass man den Film bereits in der Überschrift zerreißt? Bleiben wir der Übersichtlichkeit halber bei den Beispielen von Kotaku und Computer Bild. Beide verfassten diesen Artikel vom Standpunkt eines World of Warcraft-Veterans, der Bild-Ableger wagte noch eine Prognose für absolute Warcraft-Neulinge. Ich bilde hier das Mittelfeld, da ich zwar World of Warcraft per se nicht angefasst habe (und es auch nicht vorhabe), aber mich auch durchaus in Warcraft 3 vergnügt habe. Zur Analyse nehme ich beispielhaft drei Punkte heran, in denen beide Artikel sich überwiegend einig sind:

  • Der Film hat zu viele und zu oberflächliche Charaktere.

Fassen wir einmal zusammen. Unsere Hauptcharaktere sind Anduin Lothar (Kommandant des Königs), Durotan (Häuptling der Frostwölfe), Medivh (Wächter), Garona (Halborkin), Khadgar (ehemals Wächter-Lehrling), Gul’dan (der Bösewicht),  Llane Wrynn (der König) und eine Handvoll Nebencharaktere, deren Namen man sich nicht einmal merken muss, um sich ihrer Funktion bewusst zu sein.

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© Legendary/Blizzard

Kennern der World of Warcraft-Lore werden zumindest einige dieser Namen aus der Lore bekannt sein, für mich waren sie überwiegend neu. Dennoch waren sie gut unterscheidbar und so inszeniert, dass ihre Positionen, Charakterzüge, Fähigkeiten und Handlungsmotivationen klar dargestellt waren. Es erfordert meiner Meinung nach nur eine durchschnittliche Konzentrations- und Aufnahmefähigkeit, um die Charaktere nachvollziehen zu können. Was die Oberflächlichkeit angeht, stimme ich jedoch tendenziell zu. Der Film bringt ein paar mehr oder minder tiefgreifende Momente, in denen die Charaktere ihre schwere Vergangenheit preisgeben – mehr aber auch nicht. Insbesondere der König bekommt recht wenig Farbe ab, weshalb er die gesamte Handlung über nur als „ganz netter Typ“ ankommt. Grundsätzlich haben die Charaktere in diesem Film eher funktionellen als individualistischen Ursprung, was auch der Lore-basierten, sehr Videospiel-typischen Erzählweise geschuldet ist.

  • Der Film hat zu viele Handlungsstränge und ist schwer verständlich.

Da ich mir sehr sicher bin, während des Films nicht geschlafen zu haben, komme ich Summa Summarum auf eine ähnliche Anzahl Handlungsstränge wie Hauptcharaktere; ohne zu weit vorzugreifen: das beinhaltet nicht nur die beiden großen (Durotan und Lothar), sondern auch mehrere kleine, sehr übersichtliche – und alle werden am Ende mehr oder weniger eindeutig mit einem kleinen Touch von Cliffhänger aufgelöst. Man muss sich schließlich die Option auf eine (oder mehrere) Fortsetzungen freihalten. Lange Rede, kurzer Sinn: mit durchschnittlicher Konzentration… ihr wisst schon. Wen bereits die Anzahl der Charaktere verwirrt, wird hier erst recht seine Schwierigkeiten haben. Als schwer nachvollziehbar definiere ich meine wöchentliche Linguistik-Lektüre – was Warcraft: The Beginning angeht, sollte man stattdessen froh sein, dass man keinen linearen Hollywood-Kitsch vorgesetzt bekommt.

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© Legendary/Blizzard
  • Der Film ist humorlos und nimmt sich zu ernst.

In beiden Kritiken wurde der für Blizzard typische, dezent eingeworfene Humor vermisst. Blizzard-Universen sind – bekannterweise – überwiegend sehr düster. Kaum eine Geschichte geht gut aus. Dennoch ist irgendwo noch immer Platz für einen witzigen One-Liner oder absurde Handlungen. Meiner Ansicht nach mangelt es auch dem Film daran nicht. Während ich die vorherigen beiden Argumenten noch halbwegs nachvollziehen und teils befürworten konnte, ist mir dieser Kritikpunkt völlig fremd. Was den Einsatz von Witzen und Pointen angeht, hat Regisseur Duncan Jones den Nerv von Blizzards Humor absolut getroffen. Seien es Lore-basierte Eastereggs während Kamerafahrten, wenig dramatische Unterbrechungen emotionaler Szenen oder ein wenig Slapstick, um Kampfszenen aufzulockern. Ohne zu viel an Spoilern preisgeben zu wollen: Schafszauber („Er wirkt nur bei den geistig Schwachen.“). Spätestens ab diesem Punkt war ich von Jones Detailtreue überzeugt.

Alles in Allem ist der Film tatsächlich recht vollgepackt und wirkt dadurch etwas zu kurz für die Fülle an Inhalten. Die landschaftliche Darstellung Azeroths ist großartig, wenn auch diese teils zu kurz gekommen ist, um mehr an Lore unterzubringen. Man muss etwas mitdenken, um mit der Menge an Inhalt mithalten zu können. In diesem Fall sollte es aber auch kompletten Neulingen nicht schwer fallen, den Film zu verstehen und Gefallen daran zu finden. Wenn man nicht mit einer negativen Grundeinstellung (Filmadaption eines Videospiels – das kann nichts werden!) oder der Erwartung eines Hollywood-Streifes im Stile von 300 an den Film herangeht, ist mit Warcraft: The Beginning durchaus amüsante und packende Unterhaltung garantiert. Mit gratis Nostalgie-Effekt für World of Warcraft-Liebhaber.

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© Legendary/Blizzard

 

Original Artikel: kotaku, Computer Bild Spiele