TESTS

Defenders Quest: Valley of the Forgotten DX (Konsolen-Version)

Das größte Abenteuer des Tower Defense Genres

Jan Markus Mäuer · 22. Februar 2018

Als ich vor einiger Zeit einen Blick auf das Xbox Game Pass-Angebot warf, gab ich eine warme, aber etwas seltsam formulierte Empfehlung für die Defense Grid-Spiele, die ich als “das zweitbeste Tower Defense-Spiel und das beste, was man für die Xbox bekommen kann.” bezeichnete. Wer sich wundert, welches denn das BESTE Tower Defense-Spiel ist (natürlich nur meiner Meinung nach, die korrekt ist): Hier ist Defender’s Quest. Jetzt auch auf PlayStation 4, und ja, auch der Xbox One.

Nicht, dass es unbedingt auf dem ersten Eindruck so aussieht, ein hübsches Spiel ist Defender’s Quest nie wirklich gewesen, weder als es ursprünglich 2012 erschienen ist, noch heutzutage, vor allem im Vergleich zu eben Defense Grid zum Beispiel. Und die DX-Edition, welche die Grafik des Spiels komplett überarbeitete und “HD” machte (aber darüber hinaus auch Story und Gameplay erweiterte), ändert darin recht wenig. Die DX-Version sieht besser aus, ohne Frage, aber das Spiel… nunja, ästhetisch Geschmackssache vielleicht, aber es ist recht hässlich. Die Umgebungen sehen zweckmäßig aus, die Figuren wirken in sowohl im Spiel als auch in den statischen Dialogszenen ziemlich steif, und die UI, die einen großen Teil des Bildschirms einnimmt, ist übersichtlich aber grauenvoll für jedes Designer Gemüt.

Die Story kommt etwas besser daher. Die stolze Beanstandung des Spiels, von einem Anglistik Magister Geschrieben zu sein, wirkt etwas zu vielversprechend: Die Geschichte um eine übernatürliche Seuche und einer wachsenden Gruppe widerwilliger Helden, die sie als einzige aufhalten können, ist gehobener Fantasy-Standard. Aber andererseits hält sie nie zu lange von der Action ab und bietet sympathische Charaktere, um die man sich im Laufe des Spiels kümmert.

Okay, also wenn Grafik und/oder Story die Priorität sind, vielleicht nicht für jeden das beste Tower Defense-Spiel, aber in anderen Disziplinen ist das Spiel über solche Zweifel erhaben und macht diese Mängel mehr als wett.

So mag das Spiel nicht hübsch aussehen, aber der Soundtrack ist fantastisch, mit einer Reihe von Songs und Melodien, die auch beim (teils oft) wiederholten Hören nicht nerven und die kausale 2D-Klickerei in epische Schlachten verwandeln kann.

Aber das wahre Highlight ist das Gameplay. Wie man vielleicht schon vom Titel entnehmen kann, wird hier Tower Defense-Gameplay, in einer sehr klassischen Fassung, wie man sie zum Beispiel von Spielen wie Crystal Defenders kennt, mit Rollenspiel-Systemen gepaart, insbesondere was Charakterentwicklung angeht.

Anstelle von Geschütztürmen werden hier Charaktere diverser Klassen entlang von Wegen aufgestellt, die Horden von Monstern direkt zur Protagonistin Azra leiteen, die diese Charaktere beschwören und mit magischen Skills unterstützen kann. Die Charaktere vertreten gleichermaßen recht standardmäßige Klassen sowohl im Rollenspiel- als auch Tower Defense-Bereich.

Aber die Entwicklung dieser Charaktere macht die Sache gleich auf mehrere Weisen komplex. Innerhalb eines laufenden Levels kann und muss man die Charaktere “boosten”, damit diese stärker und schneller werden und eine größere Reichweite haben. Aber auch zwischen den Levels steigen Charaktere mit der Zeit auf und bekommen zusätzliche aktive und passive Fähigkeiten, die eventuell nur in bestimmten Boost-Levels verwendet werden können, aber die Figuren massiv mächtiger machen und sogar in gewisse Richtungen spezialisiert werden können. Zudem können Charaktere mit Waffen und Rüstungen ausgestattet werden, die auch nochmal die Fähigkeiten pushen.

Geschütztürme durch distinktive Charaktere auszutauschen macht aber auch den Reiz im Spiel selbst aus. Statt den Cashflow über die Länge eines Levels zu nutzen, um ein Level bis zum Rand mit Geschützen zu füllen, hat man nur eine begrenzte Menge von Charakteren zur Verfügung (1 Charakter pro Klasse im Laufe der Story. Es können Charaktere mit gleichen Klassen rekrutiert werden, doch das ist kostspielig und aufwendig), die dafür umso mehr Schaden anrichten können… falls sie sinnvoll positioniert sind. Insbesondere gegen stärkere Monsterwellen wird das Spiel fast schon eine Art Puzzle, in denen man seine Charaktere in Konfigurationen aufstellen und vorbereiten muss, die die Effizienz und die Synergie von ihnen maximieren. Und da jedes Level vier Schwierigkeitsgrade hat, bei denen die höheren nicht nur Boni versprechen, sondern auch die Gegnerwellen substanziell verändern können, kann es einige Arbeit abverlangen, eine individuelle optimale Lösung zu finden. Auch wenn man, wie im Rollenspiel üblich, einfach Erfahrungspunkte farmen kann bis auch schwerere Gegner hoffnungslos unterlegen sind.

Aber bevor man auf solches Grinden zurückgreift, bietet das Spiel auch noch zusätzliche Optionen zum Mikromanagement. So können Charaktere eingestellt werden, um bestimmte Ziele zu priorisieren, abhängig von Reihenfolge, der Konstitution der Gegner und ihrer Stärke. Und wenn dies in Echtzeit zu fordernd ist, kann der Spielverlauf pausiert, aber auch in mehreren Stufen verlangsamt und, falls man nur noch wartet, beschleunigt werden kann.

Und das macht Defenders Quest meiner Meinung nach so herausragend. Nach außen hin wirkt es wenig überzeugend, aber es ist die Mischung aus Spieltiefe, die komplex aber nicht überfordernd ist, die stetige Entwicklung der Charaktere und die vielen intelligenten “Quality of Life”-Features, die das Spiel mühelos, aber herausfordernd machen. Man kann es wunderbar nebenbei Spielen, gerät aber schnell in Gefahr, stundenlang dran zu hängen. Und trotz dass ich die PC-Version mehrmals durchspielte, war diese Suchtgefahr auch im Konsolen-Port wieder vorhanden.

Achja, der Konsolen-Port für sich, der hier getestet wird… funktioniert. Auf dem großen Wohnzimmerfernseher können die optischen Mängel besonders befremdlich wirken, aber ist auch nicht besser oder schlechter im Vergleich. Was nicht abzustreiten ist, ist dass das Spiel sichtlich für den PC und für Maussteuerung gemacht ist. Wie andere Spiele, die sich am besten mit der Maus steuern, macht der Controller das Spiel unvermeidlich klobiger, aber der Port versucht sein Bestes, mit umfangreicher Tastenbelegung das ganze immernoch responsiv und bedienbar zu halten. Es erfordert eine gewisse Eingewöhnungsphase, aber da das Spiel jederzeit pausiert werden kann, ist dies auch kein allzu großes Problem.

Dennoch: Im Endeffekt gibt es wenige Gründe für die Konsolenversion zu argumentieren. Das PC-Spiel läuft problemlos auf so ziemlich jedem Computer, Multicore-Prozessoren oder eine dedizierte Grafikkarte werden nicht benötigt. Möchte man das Spiel wirklich auf der Konsole spielen, ist gegen die PlayStation 4 oder Xbox One nichts auszusetzen. Aber es ist unvermeidlich nicht die ideale Version, weshalb es nur zu empfehlen ist, wenn ein PC wirklich keine Alternative ist.

In einigen Monaten soll eine PlayStation Vita-Version erscheinen (eine Switch Version wird “in Betracht gezogen”, ist aber bisher nicht angekündigt), da sieht die Sache eventuell wieder anders aus.