TESTS

Stifled

Alone in the Dark (mal wieder)

Jan Markus Mäuer · 5. Februar 2018

Indie-Spiele haben ihre ganz eigene Einflüsse auf Genres. Oft ist es ein nostalgischer – Die Plattformer und Metroidvanias der Garagen-Entwickler greifen nicht nur optisch bewusst auf Retro-Stil zurück, um wohlig warme Gefühle im Spieler zu wecken und manchmal auch ein bisschen am Budget zu sparen. Bei Horrorspielen war es weniger eine Rückbesinnung auf Klassiker als eine Demontage: Mit begrenzten Mitteln und Big Budget-Horrorspielen, die sich im Gameplay meist mit Action behelfen als wirklichem Grusel, besinnten sich viele Entwickler auf Atmosphäre und/oder fiese Jumpscares. Slenderman: The Eight Pages dient hier nicht nur als gutes Beispiel, sondern wurde auch selber Vorlage für viele Spiele, die folgten. In klaustrophobischer Ego-Perspektive alleine, im Dunkeln, gegen Horror, der sich nicht bezwingen lässt, sondern umgangen werden muss. Mechanischer Horror der von einer Unvorhersehbarkeit lebt.

Stifled ist kein Imitator von Slenderman… es schlägt in dieselbe Kerbe, aber Gattai Games ist hier ambitionierter… aber dennoch lebt es mit den gleichen Stärken und leider auch Schwächen, dieser Art von Horror-Titeln.

 

Der Spieler übernimmt die Rolle von David Ridley, der sich nach einem Autounfall in kompletter Dunkelheit wiederfindet (ich könnte etwas verpasst haben, jedoch erschien es mir nicht ganz klar ob dies an einer Blindheit des Protagonisten liegt oder ob es wirklich wirklich dunkel ist). Auf der Suche nach Hilfe findet er sich in einem Kanalisationssystem wieder, wo nicht nur ein groteskes Monster, sondern auch Fragmente aus einer traumatischen Vergangenheit wartet.

So tastet man sich blind durch die Levels, aber kann, wie im Spiel Perception (welches wir auch testeten) Geräusche zur Echolokation nutzen. Mit jedem Geräusch werden Teile der Welt in die Existenz gemalt, um nach kurzer Zeit wieder langsam zu verschwinden. So muss man sich konstant auf Geräusche verlassen um vorwärts zu kommen. Doch wäre es natürlich kein Horrorspiel, wenn dies nicht noch eine große Schwäche mit sich bringt: So wird man im Spiel konstant von einem bizarren Monster verfolgt, welches, selber blind, von Geräuschen angelockt wird und mit fürchterlichem Geschrei dem Spieler hinterher jagt wenn es einen hört.

Stifled hat einige coole Ideen für sich. Ähnlich wie Perception lebt das Spiel, durch das man “blind geht”, von einem sehr eigenen Grafikstil. So erzeugen Geräusche die Umrisse der Welt: Dicke weiße Linien in der Dunkelheit, welche die groben Formen der Umwelt schaffen. Natürlich erzeugte Geräusche, so wie die, welche das Monster von sich gibt, sind anders gefärbt, aber alles in allem lebt der Stil von simplen, aber starken Kontrasten, die einen einzigartigen und beklemmenden Look formen. Vor allem in VR, in das sich das gesamte Spiel optional spielen lässt, lebt das seinen Effekt voll aus. Man fühlt sich mehr isoliert als man es mit einem VR-Headset sowieso ist und fühlt sich wirklich “im Dunkeln tappen”. So bringt das Spiel zwar nicht wirklich viele der generellen Stärken von virtueller Realität mit sich, Volumen und Dimension kann in dem optischen Stil eher schlecht vermittelt werden, aber verstärkt effizient den beklemmenden Effekt.

Das andere coole Gameplay Feature ist die optionale Nutzung eines Mikrophons, was insbesondere gut mit den eingebauten Mikros von Playstation VR, Oculus Rift und HTC Vive funktioniert. Wie erwähnt ist das Vorankommen im Spiel und das größte Risiko das Erzeugen von Geräuschen. Entsprechend kann man ein Mikrofon kalibrieren, um diese zu erzeugen. Da es die reine Abnahme von Lautstärke ist, funktioniert das ziemlich gut, und es ist sehr cool zu sehen, wie die eigene Stimme um einen herum eine Schallwelle erzeugt, welche die Welt um einen herum malt. Und natürlich kann gleichzeitig jede unbeabsichtigte Reaktion ein Monster zu sich hetzen. Schreckhafte Naturen machen sich also ein wenig selber das Leben schwer.

Jedoch, so cool das Feature ist, habe ich es in meinen einsamen Spielesessions schnell wieder abgeschaltet. Angesichts dessen, wie oft man nur zum Navigieren Geräusche von sich geben muss, nur um zu navigieren, kam ich mir schnell albern vor, alleine und “blind” in meiner Wohnung rumzubrabbeln und Töne von mir zu geben wie ein ASMR YouTuber, der zu viele Putzmittel in geschlossenen Räumen verwendet hat.

Auch wenn die Alternative, auf Knopfdruck im Spiel Geräusche zu machen, nicht soo viel besser ist, es sei denn man mag Räusper und Schniefgeräusche (Nochmals hallo ASMR YouTuber).

Was das Spiel a̱u̱ßerhalb seiner coolen Ideen angeht, kommen wir wieder zu den “Slenderman-like“ Spielen, die ich Anfangs erwähnt habe, und deren Schwächen, die Stifled leider teilt.

Die erste Stunde des Spiels ist spannend und intensiv. Man bewegt sich in Zentimeterschritten durch die Dunkelheit ohne zu wissen was einen an der nächsten Ecke erwartet. Man fürchtet sich vor dem exzellenten Sounddesign, vor allem bei den ersten Begegnungen mit dem Monster des Spiels. Und man hält seinen Atem, wann immer etwas unerwartetes passiert.

Aber wie es mit solchen Spielen ist, ist es eine Frage der Zeit, bevor man ein etwas zu mechanisches Verständnis des Spiels bekommt. Das erste Mal, wenn einem das Monster aktiv jagt, ist es furchterregend, aber wurde man einmal von ihm umgebracht, verliert es sehr viel von seinem (Anti-)Appeal. Und dann noch mehr, wenn man mit der Zeit im Spiel zunehmend effizienter wird, das Monster zu umgehen und sich daran vorbeizuschleichen.

Doch viel mehr als die anfängliche Atmosphäre hat das Spiel nicht wirklich zu bieten, und so wird das Spiel mit der Zeit ein wenig… langweilig.

Ironischerweise wird so mit der Zeit das Spannendste am Spiel die gelegentlichen “Unterbrechungen” des üblichen Flows in Form von Flashbacks und realitätsverdrehenden Halluzinationen die der Protagonist erlebt, die oftmals in einem normalen Grafikstil gehalten sind und rein gescripteten Grusel bieten. Wenngleich die vage gehaltene und etwas konfuse Story nicht viel helfen, das Interesse zu halten, wenn der erste Eindruck verflogen ist.