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Nintendo hinkt dem Fortschritt hinterher. Es ist Zeit offen darüber zu sprechen.

Alle lieben Nintendo. Doch die wachsende Zahl an Technik- und Servicemängeln lässt die Liebe oft einseitig aussehen.

Jan Markus Mäuer · 23. Januar 2018

2017 war ein tolles Jahr für Nintendo und Nintendo Fans. Nicht nur die Switch wurde endlich veröffentlicht, der Hybrid aus Handheld und Heimkonsole, der unter Enthusiasten überwiegend als der einzige logische Schritt für den japanischen Konzern angesehen wurde. Auch konnte sich Nintendo nach der Wii U wieder einen guten Schritt nach oben bewegen.

Ein anfangs etwas schwächliches Spieleangebot wurde durch den Release von Zelda: Breath of the Wild gut überzeichnet, in der zweiten Jahreshälfte trumpfte Nintendo mit Splatoon 2, dem besser-als-erwarteten ARMS und natürlich Super Mario Odyssey auf. Nicht nur ein starkes Aufgebot – sondern ein geradezu monumentales – wenn man bedenkt wie insbesondere der erstere und der letztere Titel ein signifikanter Schritt für die alt eingesessenen Franchises ist, die in der Vergangenheit schon hin und wieder an ihrer altmodischen Inflexibilität schwächelten. Selbst der mutige Schritt an Ubisoft das Firmenmaskottchen Mario zu überreichen, vor allem wenn man bedenkt, wie oft das Anfang der 90er Jahre schief lief, war ein Erfolg. Und mit mehr als soliden Verkaufszahlen konnte sich Nintendo auch rechnerisch von den etwas fehlgeschlagenen Debüts von 3DS und Wii U abheben.

In Sachen Software also ein erfolgreiches Jahr. Obwohl ich dankbarerweise Zelda auch auf der Wii U spielen konnte, machen mir persönlich zukünftige Ankündigungen wie Metroid Prime 4,  Bayonetta 3 und ein neuer Port von The World Ends With You, ganz ab von der Hoffnung, dass starke Teams des Handheld Bereichs nun an größeren Titeln arbeiten können, die Switch sehr schmackhaft.

 

Doch da ist auch diese Sache, die mich dann doch wieder kritisch werden lässt.

 

Es ist nichts neues, dass Nintendo in vielen Sachen etwas, sagen wir, altmodisch scheint. Schon seit der Nintendo Wii wurde es zunehmend offensichtlich, dass Nintendo nicht an einer direkten Konkurrenz im Konsolen Markt interessiert ist, sondern lieber sein eigenes Ding macht. Nicht, dass das nicht auch extrem innovativ und neuartig sein kann, wie zuletzt die Ankündigung von Nintendo Labo, den Peripherie Bastelsets für Switch, bewiesen hat.

Auch konnte sich der japanische Traditionshersteller mit der Zeit ein paar modernen Ideen und Konzepten öffnen, wie beispielsweise DLCs und Season Passes, einem (recht eigen interpretierten) Online Shooter Franchise und, man höre und staune, gar Mobile Games, übt man in anderen Aspekten eine ruhige Hand. Und Nintendo Fans werden das – teils zu recht – als eine gute Sache werten, blieben so auch viele konsumiererunfreundliche Trends außerhalb des Einflussbereichs. Doch gerade was die Freundlichkeit gegenüber den Konsumenten angeht, eröffnen sich rückblickend auf etwa ein dreiviertel Jahr nach Release der Switch zunehmend klaffende Wunden, die von vielen gerne übersehen werden, auf.

Nintendo hinkt der Zeit hinterher und, schlimmer noch, wird teilweise gar rückschrittlich. Und das ist etwas, was nicht mehr hingenommen werden kann. Im Einzelnen sind es nur Kleinigkeiten. Aber es sind nicht nur eine ganze Handvoll an Kleinigkeiten, oftmals sind es auch Probleme und Mängel, die so unzeitgemäß wirken, dass sie trotz allem fast schon inakzeptabel sind.

Ich rede nicht von technischen Defekten. Da gibt es sicherlich einige dramatisch aussehende Fälle, diese scheinen jedoch oftmals, wie auch sonst oft bei Konsolen, unglückliche Einzelfälle zu sein, und solange man nicht die Verbreitung eines “Red Ring of Death” Problems hat, ist es schwer zu sagen, wie viele Nutzer davon (potenziell) betroffen sind.

Ich rede auch nicht von der offensichtlichen Leistungsdifferenz zwischen Nintendos Switch oder der Konkurrenz von Sony und Microsoft. Das ist eine bewusste Entscheidung und betrachtet man die Switch als Handheld, die es nun mal irgendwie auch ist, wirkt das Ergebnis hier mehr als befriedigend. Auch wenn natürlich insbesondere bei der TV-Darstellung die oft runter geschraubten Auflösungen im Hinblick auf den heranrollenden 4K-Push unglücklich sind. Ich möchte lieber nicht sehen, wie ein doppelt hochskaliertes Bild auf einem Ultra HD-Fernseher ausschaut.

Nein, mir geht es um Sachen wie zum Beispiel das grauenvolle Online-Featureset der Switch. Für die längste Zeit war “Online-Gaming” für Nintendo nicht von großem Interesse, aber betrachtet man Spiele wie das von der Wii U geportete Mario Kart 8, sowie Splatoon und ARMS, ist es offensichtlich, dass man sich dem nun schlussendlich auch geöffnet hat. Doch sowohl auf einem System- als auch teils einem individuellen Spielelevel ist das, was vorhanden ist, mehr als ernüchternd. Nachdem die Wii U endlich das nahezu lächerlich wirkende Friendcode System los wurde, tauchte es plötzlich auf der Switch wieder in all seiner alphanumerischen Unschönheit wieder auf. Sicherlich in einigen Fällen ignorierbar und nicht ganz so grausig wie zu seiner Einführung in Nintendo DS Zeiten, aber eben ein auffällig plumpes Relikt aus dieser Zeit. Weit weniger zu übersehen, und zu hauf gerechtfertigt drüber gelästert, sind die sozialen Aspekte der Online Funktionalität. Statt grundlegende Features wie Voice-Chat von Haus aus oder zumindest in Spielen bereitzustellen, wie es die Konkurrenz schon zu Zeiten von Xbox und Playstation 2 konnte, setzt Nintendo hier und auch in anderen Aspekten der Online Funktionalität auf Smartphone-Apps. Ausrede: “Hat ja eh jeder ein Smartphone”. Eine nahezu absurde Lösung, die sowohl daheim als auch unterwegs ein Gerangel mit zwei Geräten forciert, und wenn man nicht gleich auf komplett andere Lösungen wie Discord oder Skype setzt (auch etwas worauf gerne wissentlich blind hingewiesen wird), auch von eher mangelhaften Nintendo Apps geprägt, die (zumindest bis vor kurzem) ein permanent aktives Handy mit der App aktiv und nicht im Hintergrund laufend verlangte. Immerhin ist dann das Handy schon zur Hand, wenn man unterwegs per Netflix oder Amazon etwaige Streaming-Inhalte sehen möchte. Denn auch hier fehlt der Switch schockierend lange eine eigene Software Lösung.

Nicht dass man die offensichtlich einfachere Lösung ohne weiteres zur Hand hätte, da die Switch eher Headset unfreundlich ist. Nachdem im Oktober wenigstens dank System-Updates die Möglichkeit von USB Headsets gegeben wurde, bleibt eine Bluetooth Konnektivität weiterhin aus. Nicht weil die Switch kein Bluetooth hätte, denn das hat sie sehr wohl, sondern einfach weil…ja ich weiß auch nicht. Man könnte sich ja auch Textmessages schicken, aber auch das kann die Switch nicht.

Was wie ein schlechter Scherz aussieht, ist bislang die beste Lösung für Online-Voicechat in Splatoon 2

Bedenkt man, dass Nintendo eigentlich jetzt bereits wie eben die frechen/schlauen Konsolenkonkurrenten Geld für Online-Gaming verlangen wollte (ein Plan, der nach berechtigt lauter Kritik ins bisher Ungewisse verschoben wurde), macht es nur nochmals umso absurder. Auch wenn man natürlich bedenken muss, dass man neben der bisher noch kostenlosen Onlinefunktionalität von Spielen auch ein Virtual Console Spiel pro Monat bekommen hätte…abermals ein noch abwesender Service. Hoffnungen für Cross-Buy Berechtigungen würde ich mir da so oder so nicht machen, ich denke Nintendo würde sich wohl eher freuen, wenn Fans zum X-ten Mal Super Mario World kaufen, vielleicht wenigstens wie bei der Wii U zu einem reduzierten Preis, weil man schon oft genug blechen musste.

Eher zu hoffen, fast schon zu beten, wäre, da dann aber vielleicht auch ein wenig Cloud Speicher für Spielstände. Denn momentan sind diese weder auf mehreren Konsolen nutzbar, noch auf die überaus notwendige SD-Karte übertragbar, die man zur Switch dazukaufen sollte. Nein: Sie stecken im internen 32 GB Speicher der Konsole, fest an das System gebunden – wenn man es nicht gerade von Nintendo reparieren lässt. Meiner Meinung nach eine der mit Abstand größten Sünden der jungen Konsole. Man will erst gar nicht überlegen, was passiert, wenn der Speicher mal voll ist (wenngleich eine drastische Ausnahme, verbraucht NBA 2k18 stolze 5 GB…PRO Speicherstand). Man muss sich umso mehr Sorgen machen, dass wenn der (zur Erinnerung, primär tragbaren) Konsole was passiert. Manche hatten mit Nintendos Support Glück, der sehr wohl in der Lage ist, Spielstände zu übertragen und wiederherzustellen, andere konnten hier dutzenden Stunden an Spielzeit lebewohl sagen.

Aber wenn jedoch der Junior oder sonst jemand, mit dem man seine Switch teilt, an das eigene Konsolenprofil kommt (keine Meisterleistung angesichts dessen, dass sich Profile nicht mit Passwörtern oder Pins schützen lassen) und Speicherstände löscht oder überschreibt, hilft selbst Nintendo nicht mehr…auch nicht mit der Jugendschutzfunktionalität, die zwar, wenngleich ebenfalls via App gesteuert, sehr umfangreich ist, aber auch wieder System und nicht Account gebunden, ergo zu kurz gedacht.

Bewegt man den Blick ein bisschen mehr in Richtung Hardware, trifft auch hier das Licht auf einiges an Schatten.

WLAN Funktionalität ist hier öfters bemängelt…zwar leistet die Switch gute Dienste im 5 GHz Netzen, wer jedoch nur einen schwächeren Router hat, oder unterwegs ist, und nur ein 2.4 GHz Netz zur Verfügung hat, sollte mit Instabilitäten rechnen. Ohne passenden Adapter sucht man übrigens, auch am stationären Dock, nach einer kabelgebundenen Verbindung vergebens.

Achja, das Dock. Auch hier trifft man einige gestresste Switch User im Internet, ist das harte Plastik doch eine ständige Gefahr für den kratzeranfälligen Screen, dem keine Lösung à la Gorilla Glass spendiert wurde. Am besten so wenig wie möglich verwenden…was einfacher wäre, wenn man auch ohne dieses Dock die Switch mit einem Fernseher verbinden könnte. Etwas, was man auch bedenken muss, wenn man mit der Switch mal länger unterwegs ist, und ebenfalls absurd erscheint, wenn man bedenkt, dass Tablets und auch viele Smartphones trotz weniger Verwendungsfälle hier oft diverse Lösungen anbieten.

Wenigstens zum Aufladen wird das Dock nicht benötigt, hier kann man einfach ein USB-C Kabel verwenden. Die Joycons (ein wirklich cleverer Touch von Nintendo, auch wenn ich lieber eines von Nintendos fantastischen D-Pads hätte) werden übrigens auch am besten direkt am Tablet geladen. Auch Zuhause, denn das ist günstiger als eine Ladestation oder ein offizieller und optionaler “Joycon Grip” mit einer Ladefunktion, der mit 30 Euro teuer zu Buche schlägt. Vielleicht verzichtet man aber Zuhause am besten gleich auf die Joycons und nutzt den komfortableren Pro Controller, der jedoch mit etwa 70 Euro UVP auch nochmal den sowieso schon oft teuren Gamepads jedweder modernen Konsolen einen draufsetzt.

Um nochmal auf den schon angesprochenen Speicherplatz der Konsole zu kommen, auch hier sind Zukunftssorgen nicht unberechtigt. Die Verwendung von SD Speicher ist hier zwar angesichts der Portabilität willkommen, aber sowohl die Spielecartridges, als auch SD-Karten, nicht gerade billig bei höheren Speichervolumen sind. Hier sorgte man sich schon als Xbox One oder PS4 Besitzer dank inflationärem Speicherbedarf moderner Videospiele drum, und bei der Switch scheint es auch dauerhaft ein Problem zu werden. Vor allem wenn die Spielepublisher an ihrer Seite mit den Cartridge Größen sparen, oder eben an ihren Limits sind. Denn dann müssen einige GB an Spieldaten auf den knappen Internen Speicher oder SDs ausgelagert werden. Und während ein PS4 und Xbox One Besitzer hier etwas kostengünstiger auf externe Festplatten zurückgreifen kann, ist so etwas der Switch nicht gegönnt. Macht natürlich Sinn, wenn man bedenkt, dass niemand seine Portable Konsole permanent an eine externe Festplatte binden will; Jedoch ist auch zu bedenken, dass Sony hier mit der Playstation Vita (und einen absurd teuren proprietären Speicherkarten) bereits zu PS3 Zeiten die Lösung anbot, Spielinhalte nötigenfalls auf PC oder PS3 zu archivieren und hin und her zu übertragen.

Zu dem Thema UI Frontend findet man derweil im Internet eher gemischte Gefühle, manche mögen’s, manche nicht. Warum jedoch das Sortieren der Spiele oder gar das Verwenden von eigenen Ordnern nicht möglich ist, bleibt eine offene Frage, da das doch die letzten Nintendo Geräte grundsätzlich bieten konnten. Und als Playstation 4 Besitzer weiß ich, welch einen hohen Bedarf Spieler an eigenen Ordnern haben.

Und hier ist eben der Punkt, weshalb mich all diese Kleinigkeiten bei Nintendo besonders skeptisch machen.

Andere Konsolenhersteller haben bei solchen, eher technischen, Mängeln eine sehr lautstarke Userbase, auf die die Macher grundsätzlich hören. Zwar braucht es oftmals seine Zeit und es werden auch nicht alle Wünsche von den Lippen abgelesen (Stichwort Audio CDs), aber dennoch bieten Sony und Microsoft schon in der zweiten Generation Produkte, die sich mit verlässlicher Regelmäßigkeit durch Updates verbessern.

Zugegeben, fremd ist das Nintendo auch nicht, auch hier wurden Wii U und 3DS, genauso wie auch schon die Switch, mit Software Updates gefüttert. Quantitativ bleibt hier jedoch eine sichtbare Regelmäßigkeit aus, was umso frustrierender ist, wenn man dies mit dem recht stillen PR Kanal von Nintendo paart. Während sich hier Sony und Microsoft, womöglich zwangsläufig, dem ungewaschenen Pöbel mehr öffneten und recht bekannte und erreichbare Sprecher haben, die auch mal (zumindest für PR Verhältnisse) ehrliche Worte bereithalten, ist Nintendo weiterhin eher fest am Schönwetterreden.

Und ja, andere Konsolen (oder Unterhaltungselektronik im Allgemeinen) sind ebenfalls von vielen Kleinigkeiten geplagt, aber am Beispiel der Switch ist es zu einfach Mängel zu finden, die einfach nicht mehr zeitgemäß sind und schon im Voraus aus der Welt geschafft gehörten.

Und hier haben eben auch die eingefleischten Nintendo Fans eine für mich etwas unerklärlich hohe Toleranzgrenze, die dafür sorgt, dass nicht allzu viel darüber geredet wird. Eher werden Mängel und Schweigen oft sogar verteidigt. Auch wenn betont VERGLEICHSWEISE oft jede Plattform seine fanatischen Verteidiger, die sich blind ihr Lieblingsspielzeug zurecht reden, hat. Doch eben bei Nintendo gäbe es besonders viel zu meckern, während die Verteidiger erstaunlich vielzählig sind. Liegt natürlich auch an der Nostalgie und an den Jahrzehnten der Markentreue, die Nintendo für sich gewinnen kann. Doch im Endeffekt tun sich hier die Fans von allen am wenigsten einen Gefallen.

Es bleibt zu hoffen, dass Nintendo über den Tellerrand seiner treusten und unkritischsten Fans hinwegsehen kann. Nachdem 2017 von mutigen Fortschritten seitens ihrer Spielefranchises geprägt war, wäre es schön zu sehen, wenn 2018 vielleicht als Gelegenheit genutzt wird, bei Hardware und Systemsoftware aufzuholen, und womöglich schon im nächsten Jahr, diesen Artikel und viele der oben genannten Probleme der Switch (ein Gerät, das anderswo so viel Potenzial bietet) so hoffnungslos veraltet aussehen zu lassen.